Was ist bürgerlich?

Der historische Bürgerliche war gemäßigt revolutionär, kapitalistisch und antiklerikal.
Der historische Bürgerliche war gemäßigt revolutionär, kapitalistisch und antiklerikal.Getty Images
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Ob grüne Bobos, die türkise ÖVP oder Thomas Drozda: Das bürgerliche Element in der österreichischen Politik ist weit verbreitet. Mit seinen ideengeschichtlichen Ursprüngen hat das Bürgerliche heute aber nur noch bedingt zu tun.

Thomas Drozda wird von nicht wenigen in der SPÖ als zu bürgerlich angesehen. Helmut Brandstätter hält sich und seine neue Partei, die Neos, für bürgerlicher als die ÖVP. Sebastian Kurz findet selbstverständlich, dass er bürgerliche Politik macht. Norbert Hofer findet das eigentlich auch. Auch die Grünen haben mit dem Etikett „Bobo“, also „bourgeois-bohémien“, kein Problem. Und selbst Peter Pilz, der Bürgerschreck von einst, hat heute mit seinem Almhaus in der Steiermark und seinem Faible für gutes Essen und teure Kaffeemaschinen das, was man gemeinhin einen bürgerlichen Lebensstil nennt.

Lauter Bürgerliche in der österreichischen Politik also? Ja und nein. Zum einen haben sich selbst die Antipoden bürgerlicher Politik wie die Sozialdemokraten dieser angenähert – nicht zuletzt im Habitus ihrer höheren Funktionäre. Heute gibt es tatsächlich die Diskussion, ob die SPÖ noch eine Arbeiterpartei sein oder gleich zur linksliberalen Bildungsbürgerpartei werden soll. Wobei auch die Facharbeiter heute weitgehend Teil des (Klein-)Bürgertums sind. Die proletarische Gegenkultur von einst hat ihre Anziehungskraft verloren.

Das Antiklerikale. Zum anderen hat sich der Begriff des Bürgerlichen im Laufe der Zeit relativ weit von seinem Ursprung entfernt. In seinem Wesen war der historische Bürgerliche gemäßigt revolutionär, kapitalistisch und antiklerikal. Das findet so in der heutigen Politiklandschaft keine eindeutige Entsprechung mehr. Revolutionär ist keiner mehr. Kapitalistisch zwar schon, allerdings klingt das nicht so gut, als dass man es deutlich aussprechen würde, man sagt lieber soziale Marktwirtschaft. Und mit Religionskritik eckt man heutzutage, da nicht mehr nur der Katholizismus als Reibebaum zur Verfügung steht, lieber nicht zu sehr an.

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