Shakespeare pur in Carnuntum

(C) Art Carnuntum
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„Globe on Tour“ war dieses Wochenende beim Festival Art Carnuntum zu Gast. Die Londoner Truppe begeisterte mit drei Stücken von William Shakespeare.

Was braucht man, um tolles Theater zu machen? Ein gutes Stück, ein paar Bretter, ein wandelbares Ensemble und Zuseher, die bereit sind, der Fantasie zu folgen. All dies trifft heute häufig auf die Produktionen von Shakespeare's Globe zu. Den Werken des englischen Dramatikers und seiner Zeitgenossen will man möglichst nahekommen, im Nachbau seines Theaters südlich der Themse in London.

1599 hatte man dort das alte Globe erbaut. William Shakespeare war sein Teilhaber. Das neue Globe unserer Tage ist seit 22 Jahren ein Erfolgsmodell. Wer keine dieser dem Original nacheifernden Aufführungen in London besuchen kann, für den gibt es Globe on Tour. Eine entschlossene Truppe von acht Schauspielern zieht von Land zu Land, um kontinentalen Fans leicht reduzierte Stücke in breitestem Englisch zu präsentieren. Soeben war sie in Österreich zu Gast, im atmosphärisch ohnehin beeindruckenden Amphitheater von Petronell-Carnuntum, beim Festival Art Carnuntum.

Die Künstler zogen sangesfroh ein, schamlos laienhaft musizierend, als wollten sie schräge Töne aus Fellini-Filmen übertreffen. Sie wurden zum Schluss enthusiastisch gefeiert, obwohl es erschwerte Bedingen gab: Nicht nur, dass das kleine Ensemble gleich drei Dramen mit Dutzenden Rollen darbot. Nicht nur, dass bis in die Abendstunden tropische Temperaturen herrschten und sich schließlich der Wind brutal in die Aufführung einmischte. Nein, auch eine der Schauspielerinnen fiel aus.

Inzest, Schiffbruch und Scheintod

Also übernahm eine Kollegin (Sarah Finigan) tapfer eine Fülle an Rollen in den Inszenierungen von Brendan O'Hea. 24 Stunden hatte sie dafür Zeit. Und fügte sich beinah nahtlos ein. Bald ist vergessen, dass Maria, Sebastian und Valentine in „Twelfth Night“, Thaisa, Thaliard, Leonine und Diana in „Pericles“ mit Textbuch in der Hand auftreten. Man glaubt es kaum, dass hier improvisiert wird, so sicher wirkt das Spiel. Die Darsteller sind relativ jung, in Sprechtechnik, Gesang und Tanz wurden die Talente ungleich verteilt. Doch alle haben sie enorme Spiellust, Präsenz und Variationsbreite.

Das ist wesentlich, wenn man binnen weniger Stunden erst im Frühwerk „The Comedy of Errors“, dann im reifen, derzeit populären Lustspiel „Twelfth Night or What You Will“ und schließlich im selten gespielten „Pericles“ auftritt – einem späten Drama, das zum Teil George Wilkins zugeschrieben wird. Als Erzählerfigur aus dem Mittelalter verbindet darin der Dichter John Gower Machtspiele, Inzest, Hungersnot, Mordversuche, Heirat, Scheintod, Zauberei und sensationelle Schiffbrüche des reiselustigen Titelhelden zu einer Riesen-Romanze.

Diese unzeitgemäße Soap wurde am Samstagabend fantasievoll umgesetzt. Da kämpfen die Protagonisten effektvoll gegen den Sturm an, den ein wütender Gott des Ozeans entfacht hat. Wird er sie von Bord fegen? Die Natur in Carnuntum hilft am Abend kräftig mit. Der Wind pfeift durch das offene Zelt. Wer weiß, ob man das Blech hinter der Holzwand der Bühne zum Erzeugen von Donner überhaupt noch brauchen wird. Das schwierige Stück (34 Rollen!) erschließt sich in dieser Inszenierung recht leicht. Es wurde produktiv gekürzt.

Vielschichtigen Spaß hatte man zuvor in „Twelfth Night“ erlebt. Ebenfalls Schiffbruch, Liebeswerben und schließlich, bis auf den Spießer Malvolio, angeblich Erfüllung – im Hafen der Ehe gar. In dieser Komödie spielte bei Shakespeare ein Knabe die gestrandete Viola, die sich als Mann verkleidet. Eric Sirakian gibt sie bei Globe on Tour. Zudem schlüpfen Frauen in Männerrollen! Und vice versa. Evelyn Miller spielt Herzog Orsino, Andrius Gaučas Gräfin Olivia. So viel Gender-Verwirrung strengt mächtig an. Aber, hey, ho, hier gelingt sie wirklich.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 12.08.2019)

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