Harmony OS: Huaweis wenig harmonischer Befreiungsschlag

APA/AFP/FRED DUFOUR
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Huawei-Tochter Honor hat das erste Gerät, das mit Huaweis neuem Betriebssystem Harmony OS ausgestattet ist, präsentiert. Ohne Google wird es aber außerhalb Chinas schwierig.

Huawei versucht einen ersten Ausweg aus dem US-Bann zu finden. Dabei vergrämt es den stärksten Befürworter, den die Chinesen haben: Google. Bislang war der US-Konzern sehr daran interessiert, eine Lösung mit US-Präsident Donald Trump zu finden. Google würde viel Geld an Lizenzzahlungen verlieren, wenn sie die Nummer zwei am Smartphone-Markt als Kunden verlieren. Nach zahllosen Mitteilungen zur Android-Alternative Hongmeng, präsentierte Huawei auf der hauseigenen Entwicklerkonferenz sein Betriebssystem Harmony OS. Nur wenige Tage später zeigt die Tochterfirma Honor das erste Gerät, das mit dem neuen Betriebssystem betrieben ist. Dabei handelt es sich um einen vernetzten Fernseher, der im 55-Zoll-Format 4K-Auflösung bietet.

Der Fernseher wird mit Prozessoren und Chips von chinesischen Herstellern betrieben. Hiermit konnte man anscheinend die von US-Präsident Donald Trump untersagte Zusammenarbeit zwischen US-Firmen und Huawei umgehen. Das Gerät soll 476 Euro kosten. Das Pro-Modell mit besserem Sound-System 600 Euro. Bereits ab dem 15. August soll der Fernseher in China erhältlich sein. Ob das TV-Gerät jemals auch in Europa erhältlich sein wird, ist unklar.

Vollmundige Versprechen

Huawei hatte sein Betriebssystem Harmony OS vergangene Woche vorgestellt. Vorerst soll es überall eingesetzt werden, außer Smartphones. Huawei plant eine Weiterentwicklung des Betriebssystems im Bereich von Kopfhörern, Virtual-Reality-Brillen und eben auch TV-Geräten. Sollte aber Huawei weiterhin von einer Zusammenarbeit mit Google ausgeschlossen werden, würde es das Unternehmen zwingen, Android den Rücken zu kehren. Richard Yu, Chef der Smartphone-Sparte, erklärte, dass Android nach wie vor das bessere Ökosystem habe.

Dennoch betonte er bei der Präsentation die Vorzüge von Harmony OS. Sicherheit und Fragmentierung standen hier im Vordergrund. Da das Betriebssystem auf einen Microkernel setze, gäbe es keinen Root-Zugriff und somit auch keinen Generalschlüssel. Außerdem sei es quelloffen entwickelt, weswegen auch - wie bei Android - die Sicherheit jederzeit geprüft werden könne, weil der Quellcode öffentlich ist.

Für Entwickler könnte interessant sein, dass Huawei zu Beginn auf einen Linux-Kernel setzt. Das bedeutet auch eine Kompatibilität zu Android-Apps. Damit soll ein Umstieg erleichtert werden. Auch bei der Fragmentierung, also den verschiedenen Anforderungen je nach Gerätekategorie (Tablet, TV, Uhr oder Smartphone) sei für Entwickler eine Herausforderung und koste Zeit.

Gewagte Aussage

In den vergangenen Wochen hat Huawei seine Kommunikationsstrategie grundlegend geändert. Der Gründer Ren Zhengfei gab zahlreiche Interviews. Man präsentierte sich als weltoffenes, unabhängiges Unternehmen, das von den Mitarbeitern geführt wird. Denn nach wie vor ist Huawei nicht an der Börse notiert. Die Mitarbeiter haben jedoch Anteile an der Firma. Das sei motivierender. Je besser jeder Angestellte - vom Fabriksmitarbeiter bis zum Manager - arbeite, umso höher die Bonuszahlungen. Bei der neuen Strategie hat man aber übersehen, eine gemeinsame Linie festzulegen. Ren Zhengfei plauderte nämlich über das geplante Betriebssystem und war bei der Ausstattung und den Funktionen ein wenig überbordend.

Dann galt plötzlich „Kommando retour“. In Brüssel erklärte eine Unternehmenssprecherin, dass Hongmeng nie für den Einsatz auf Smartphones gedacht war. Dann präsentierte nun Richard Yu ein Betriebssystem mit anderem Namen. Und auch er verspricht jetzt, dass ein Wechsel von Android zu Harmony OS jederzeit möglich wäre. Ein Umstieg per Software-Update sei jederzeit möglich. Innerhalb von zwei Tagen wäre es erledigt.

Angesichts dessen, dass es Huawei an Entwicklern fehlt, die gewillt sind, einem gänzlich neuen Betriebssystem eine Chance einzuräumen, wurden bei der Rechnung auch die großen Spieler am App-Markt vergessen. Denn durch den Bann ist auch Facebook und damit auch WhatsApp und Instagram die Zusammenarbeit mit Huawei untersagt. In China ist das kein Problem, da sowieso all diese Dienste verboten sind. In Europa wollen Nutzer aber nur selten auf diese Anwendungen oder die Google Dienste (Gmail, Maps, YouTube) verzichten.

"Wir wollen ein globales Betriebssystem etablieren, das nicht nur von Huawei genutzt wird", sagte Huawei-Manager Richard Yu bei der Vorstellung. An offiziellen Partnern mangelt es genau so wie an einer Alternative für die Prozessoren.

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