Gibt es Schnitzel in Saint-Tropez?

Die SPÖ gibt sich volksnah – und konterkariert es gleich wieder. Politikerurlaube sollten jedoch ein Randthema sein, der Umgang mit Tieren nicht.

Wissen Sie, wie die Milch in ihr Packerl kommt? Ja? Gut. Sollten Sie nicht auf einem Bauernhof aufgewachsen sein und das vielleicht nicht wissen: Die Kuh muss dafür schwanger sein. Nach der Geburt des Kalbes wird es von ihr getrennt. Mutter und Kind schreien tagelang nach einander. Das weggesperrte Kalb bekommt Ersatznahrung. Während sich der Mensch die eigentlich für das Kalb bestimmte Muttermilch schnappt. Wenn es Glück hat, bekommt es davon auch noch einen kleinen Teil ab. Das Kalb wird dann weiter gemästet und in Folge, sofern männlich, geschlachtet – und landet als Schnitzel auf dem Teller. Die Mutterkuh wurde in der Zwischenzeit wieder besamt – und der Zyklus beginnt von Neuem. So macht das der Mensch seit Jahrhunderten. Ziemlich brutal – oder?

Man darf, soll und muss über Tierleid selbstverständlich reden, und zwar völlig unabhängig vom Klimawandel. Das Schnitzel ist gerade Thema, die Milch war es in den 1980ern, als es in der Europäischen Gemeinschaft noch „Milchseen“ gegeben hat. Allerdings sollte man es ohne Verbotsregime und Schnappatmung tun.

SPÖ-Vorsitzende Pamela Rendi-Wagner hat am Wochenende einen Tweet verfasst: „Die heimische Landwirtschaft ist klein strukturiert und produziert Fleisch in Topqualität. Darauf sind wir stolz! Entscheidend sind faire Preise für die Bauern, Tierschutz und leistbares Fleisch. Denn das Schnitzel darf nicht zum Luxus werden!“ An dem Tweet ist nichts falsch. Vor allem nicht aus Sicht einer Partei, die ihrem Selbstverständnis nach eine Arbeiterpartei ist und das auch bleiben möchte. Dennoch rauschte gleich einmal ein kleiner Shitstorm über Rendi-Wagner hinweg. Sinngemäß zusammengefasst: Populismus. Verherrlichung des Fleisches. Dieses müsse auf jeden Fall teurer werden.

Rendi-Wagner tat genau das nicht, was ihre deutschen Genossen taten: nämlich eine höhere Steuer auf Fleisch zu fordern. Das wäre – rein taktisch betrachtet – in einem Wahlkampf, in dem man den kleinen Mann gewinnen will, auch nicht sehr geschickt. Und das will die SPÖ offensichtlich, deswegen nimmt sie sich nun auch des Schnitzels, des Lieblingsessens des Österreichers, an.

Es wäre allerdings nicht die SPÖ, würde sie sich diese neue Volksnähe nicht gleich wieder selbst zusammenhauen. Denn während sich in Österreich das Internetgewitter über ihr zusammenbraute, saß Pamela Rendi-Wagner am südfranzösischen Strand von Saint-Tropez, genauer gesagt im berühmten Club 55 in Ramatuelle.

Nun ist es grundsätzlich völlig unerheblich, wo ein Politiker Urlaub macht, es soll ihm nicht zum Vorwurf gemacht werden, es geht eigentlich auch keinen etwas an. Hier gibt es allerdings eine kleine Diskrepanz: Pamela Rendi-Wagner ließ die Medien zuvor wissen, dass sie heuer in Jesolo urlauben werde, und wenn es sich ausgehe, werde sie noch ein paar Tage in der Steiermark dranhängen. Ganz volksnah also. Von Saint-Tropez kein Wort (außer der Autor dieser Zeilen hat es irgendwo überlesen). Lediglich in der „Tiroler Tageszeitung“ vom 14. Juli findet sich der Hinweis, dass sie „nach Jesolo, dann weiter rüber nach Frankreich“ fahren werde.

Wie gesagt: Wo Politiker urlauben, sollte, wenn überhaupt, nur ein Randthema sein. Allerdings: Der aktuelle Fall ist halt schon wieder einmal symptomatisch für die SPÖ: Gusenbauers Wein, Drozdas Uhr etc. Wobei es natürlich schon auch eine individuelle Seite hat: Michael Ludwig könnte man sich in Saint-Tropez nicht vorstellen.

Über das Schnitzel sollten wir – ohne diese nervtötende Aufregung in den sozialen Medien – aber weiter reden. Über die Entstehungsbedingungen, über den Preis, über den Umgang mit Tieren an sich. Man soll Fleisch durchaus als „Luxus“ sehen, als etwas, was eben nicht wie von selbst auf den Teller kommt. Es hat seinen Preis. Es sollte dennoch erschwinglich bleiben.

Und sollten Sie das nächste Mal in Saint-Tropez Milch in Ihren Kaffee schütten – denken Sie auch an das kleine Kälbchen.

E-Mails an: oliver.pink@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.08.2019)

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