An Liebe sterben im 21. Jahrhundert

Auf Anhieb hatte sie vier Verlagszusagen: Pauline Delabroy-Allard (31).
Auf Anhieb hatte sie vier Verlagszusagen: Pauline Delabroy-Allard (31).(c) Frankfurter Verlagsanstalt
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Amour fou zwischen zwei Frauen: Der aufsehenerregende Debütroman der Französin Pauline Delabroy-Allard ist nun auf Deutsch erschienen, „Die Presse“ sprach mit der Autorin.

Mit zwei jungen Frauen im Bett fängt es an, mit einer im Bett hört es auf, und beide Male gibt es einen Dritten dabei – den Tod. Dazwischen erzählt die Französin Pauline Delabroy-Allard in „Es ist Sarah“ von der lebensbedrohlichen Amour fou zwischen der namenlosen Ich-Erzählerin und der Geigerin Sarah. In Frankreich war das Buch (im Original „Ça raconte Sarah“) für den wichtigsten Literaturpreis, den Prix Goncourt, nominiert und erhielt mehrere weitere Preise, wie den renommierten der französischen Buchhändler. Diese Woche ist der Roman nun in einer wunderbaren Übersetzung von Sina de Malafosse auf Deutsch erschienen (Frankfurter Verlagsanstalt). Welch ein Debüt: Die Geschichte klingt über weite Strecken, als könnte sie nicht anders geschrieben sein, als gäbe es nur diese eine Art, sie zu erzählen; und als sei es das Selbstverständlichste der Welt, im Jahr 2019 so meisterhaft und mitreißend über „nichts“ anderes zu schreiben als leidenschaftliche Liebe.

Es geht – nur noch – um Sarah

Worum geht es? Es geht, für die Ich-Erzählerin, „um Sarah, ihre unerhörte Schönheit, ihre steile Nase, die einem seltenen Vogel zu gehören scheint, die unglaubliche Farbe ihrer Augen, [. . .] wie Absinth, wie Malachit, ihre Schlangenaugen mit den hängenden Lidern.“ Die Erzählerin, eine junge Lehrerin, lebt wie ein Gespenst, seit ihr Partner und Vater der gemeinsamen Tochter von einem Tag auf den anderen ohne Vorwarnung verschwunden ist. Bis sie der temperamentvollen, sprunghaften und kindlichen Sarah begegnet – die, wie sie selbst, noch nie eine andere Frau geliebt hat. Die Leidenschaft ist gegenseitig, und Pauline Delabroy-Allard zieht den Leser von der ersten Seite an in ihren Strudel. Es ist der altbekannte Wechsel von „himmelhoch jauchzend“ und „zu Tode betrübt“, von federleicht und bleischwer, aber Delabroy findet dafür einen Ton, der mit dem traditionellen Instrumentarium wildromantischer Liebesliteratur nicht bricht und doch völlig natürlich und zeitgemäß klingt. Die zerstörerisch brennende Liebe wird hier nie beredet, stattdessen in unzähligen Augenblicken spürbar gemacht. Wenn etwa Sarah wortlos und finster in die Schule stürmt und vor der Ich-Erzählerin die Kerne von Marillen zu stapeln beginnt, die sie gegessen hat: „in einer merkwürdig wackligen Konstruktion, die bei jeder unserer Bewegungen einzustürzen droht. Später, nach fast einer Stunde Stille und Handgelenken voller Obstsaft, flüstert sie fast lautlos: Ich glaube, ich liebe dich zu sehr.“

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