Der Startenor ist "irritiert"

APA/AFP/BERTRAND LANGLOIS
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Ist das der traurige Abschluss von Domingos großer Karriere?

"Was wäre, wenn Placido Domingo alle Frauen, die ihm nachgestellt haben, ihn berührt, ihn geküsst und ihm Post geschickt haben, an den Pranger stellen würde?" Das liest man auf der Facebook Seite des Placido-Domingo-Fanclubs. Wir können davon ausgehen, dass die meisten Mitglieder weiblich sind. In die Hunderttausende geht die Zahl der Frauen, die den Sänger anhimmeln. Wohl auch nach den jetzt bekannt gewordenen Anschuldigungen von sexuellen Verfehlungen in den achtziger Jahren.  „We support you with all our heart“ und „I am lost of words“ steht auf der Facebook-Seite. 

Wenig Irritation in diesen Kreisen also. Auch ein ständiger Kolumnist der „Kronen Zeitung“ wirft sich für den „sympathischen“ und in Wien mehr noch als sonst wo geliebten Tenor ins Gefecht. Trotzdem hätte man sich von dem Sänger ein klügeres Statement erwartet als das, das er der Öffentlichkeit präsentiert hat. Natürlich ist die Rede davon, dass vor Jahrzehnten die Standards und Regeln im Umgang zwischen Mann und Frau andere waren als heute. Geschenkt! Das haben Gustav Kuhn und Konsorten auch gesagt. „Die Anschuldigungen sind zutiefst beunruhigend“, so der Sänger, „ich habe geglaubt, dass all meine Handlungen und Beziehungen immer gewünscht und einvernehmlich waren.“ Das war nun aber gar nicht so, wie sich herausstellt.

Brancheninsider haben angeblich immer schon gewusst, dass man Frauen davor warnen musste, mit dem verheirateten Startenor in einem Raum zu sein. Doch der große Sänger irrte, als er annahm, dass angesichts seines einnehmenden Äußeren und seines Weltruhms sich die Toleranzgrenze bei den Kolleginnen verschob. Einige haben die Zudringlichkeiten bis heute nicht vergessen. Umso schlimmer, wenn es auch um Vor- oder Nachteile bei der Karriere  dieser Frauen ging. Doch das ist nach Jahrzehnten wohl schwer zu beweisen.

Domingo steht jetzt am Pranger, in den USA wird er es schwer haben mit Auftritten. Die Salzburger Festspiele halten nach heutigem Stand an ihm fest. Dennoch: Andere Beispiele haben gezeigt, dass die Karriere in so einem Fall wohl zu Ende ist. Auch wenn eine Anklage nach Jahrzehnten in dieser Form von vielen nicht verstanden wird: Anders als durch Widerstand und Anklage ist sexuelle Selbstbestimmung nicht durchsetzbar.

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