Italien: Streit um Rettungsschiff verschärft Koalitionskrise

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Seit Anfang August ist das Schiff „Open Arms“ mit 130 Migranten an Bord auf der Suche nach einem Hafen, nun ankert es entgegen dem Willen von Innenminister Salvini vor Lampedusa. Zunehmend gibt es Widerstand gegen seinen harten Migrationskurs.

Im Tauziehen um die Landung von mehr als 130 Migranten an Bord des Rettungsschiffes "Open Arms" warnt Italiens rechte Regierungspartei Lega vor einer "Strategie", um Italien zu zwingen, seine Häfen wieder zu öffnen. "Wir werden mit allen erdenklichen Mitteln eine neue Migranteninvasion verhindern", twitterte der italienische Innenminister Matteo Salvini.

Der Innenminister und Chef der rechten Lega ist bei seinem harten Kurs in Sachen Migrationspolitik mit zunehmendem Widerstand konfrontiert. Der parteilose Ministerpräsident Giuseppe Conte warf Salvini am Donnerstag Illoyalität vor. Salvini sei besessen davon, Einwanderung zu unterbinden, schrieb Conte in einem Offenen Brief. Er selbst habe sechs EU-Staaten überzeugt, die Migranten an Bord des Rettungsschiffs "Open Arms" aufzunehmen, schrieb Conte.

Das Rettungsschiff der spanischen Organisation Proactiva Open Arms, das seit Anfang August auf der Suche nach einem Hafen ist, hatte am Donnerstag die Küste der italienischen Mittelmeerinsel Lampedusa erreicht. Italien und Malta hatten der "Open Arms" das Einlaufen in einen ihrer Häfen verwehrt. Mehr als zehn Migranten durften das Schiff aus gesundheitlichen Gründen verlassen. Der Rest der mehr als 130 Migranten darf allerdings noch immer nicht an Land gehen.

Verteidigungsministerin stemmte sich gegen Salvini

Italiens Verteidigungsministerin Elisabetta Trenta aus den Reihen der Fünf-Sterne-Bewegung hatte sich zuvor geweigert, eine Anordnung Salvinis gegenzuzeichnen, mit welcher dieser das Einlaufen der "Open Arms" in den Hafen der Insel Lampedusa verhindern wollte. Sie habe ihre Entscheidung auf der Basis "solider rechtlicher Gründe" getroffen und dabei auf ihr Gewissen gehört, erklärte die Ministerin. Auch der ebenfalls zur Fünf-Sterne-Bewegung gehörende Verkehrsminister Danilo Toninelli, der für die italienischen Häfen zuständig ist, weigerte sich, Salvinis Anordnung gegenzuzeichnen.

Salvini sieht sich in der Regierung aus seiner Lega und der Fünf Sterne zunehmend isoliert und reagierte scharf. Er sei besessen davon, den Italienern Sicherheit zu verschaffen, sagte er am Donnerstag. "Sechzig Millionen Italiener zahlen mein Gehalt für diese Besessenheit", sagte er. Salvini warnte vor einem Plan, um die "Kanäle der illegalen Einwanderung" nach Italien wieder zu öffnen.

Salvini will Rückkehr der Sozialdemokraten verhindern

Der Innenminister warnte auch vor einer möglichen Übergangsregierung aus der Mitte-Links angesiedelten Demokratischen Partei um Ex-Premier Matteo Renzi und der Fünf-Sterne-Bewegung, die seiner Ansicht nach wieder Migranten Italiens Tore öffnen würde. "Ich werde alles tun, was menschlich und demokratisch möglich ist, um eine Rückkehr von (Expremier Matteo) Renzi an die Macht zu verhindern", so Salvini.

In dieser verworrenen Lage in der Koalitionskrise mehren sich die gegenseitigen Attacken zwischen Lega und der Fünf-Sterne-Bewegung, die zusammen Italien in den vergangenen 14 Monaten regiert haben. Fünf-Sterne-Chef Luigi Di Maio beschuldigte Salvini, vergangene Woche eine Regierungskrise ausgelöst zu haben, um eine Mitte-Rechts-Allianz mit Ex-Premier Silvio Berlusconi wieder zu beleben. "Wir hatten einen Koalitionsvertrag unterzeichnet und Salvini hat ihn einfach zerrissen. Doch er ist noch nicht zurückgetreten, denn er klebt an seinem Ministersessel", kritisierte Di Maio.

(APA)

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