Wo Titel mehr wert sind als anderswo

Das Bayern-Intermezzo scheint man Mats Hummels in Dortmund verziehen zu haben.
Das Bayern-Intermezzo scheint man Mats Hummels in Dortmund verziehen zu haben.(c) APA/AFP/KAMIL KRZACZYNSKI (KAMIL KRZACZYNSKI)
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Borussia Dortmund wagt sich aus der Deckung und gibt die Meisterschaft als Saisonziel aus. Vor allem Rückkehrer Mats Hummels soll den Worten nun Taten folgen lassen.

Dortmund/Wien. Dieses Mal hat offenbar Borussia Dortmund alle Trümpfe in der Hand. Erstmals seit Jahren musste kein Leistungsträger abgegeben werden, die Neuzugänge sind allererster Güte, und das Selbstvertrauen sollte nach sieben Siegen in sieben Testspielen (darunter gegen Liverpool) intakt sein. Dann war da auch noch das 2:0 im Supercup gegen den Erzrivalen aus München vor zwei Wochen. Apropos Bayern: Dort lief zuletzt bei Weitem nicht alles so rund wie in Dortmund.

Deshalb hat man sich beim BVB heuer aus der Deckung gewagt. „Wir werden in die Spielzeit mit der Maßgabe gehen, dass wir ohne Wenn und Aber um die deutsche Meisterschaft spielen wollen“, hat es Klubchef Hans-Joachim Watzke etwas holprig formuliert. Doch verstanden haben es alle – der BVB hat den deutschen Meistertitel zum Saisonziel erklärt.

Los geht es in der Bundesliga heute mit einem Heimspiel gegen Augsburg (15.30 Uhr, Sky). Dann wird auch jener Mann wieder mit von der Partie sein, der dafür sorgen soll, dass es am Ende tatsächlich eine Meisterfeier gibt: Mats Hummels. Erstmals seit seinem Wechsel nach München 2016 wird er im eigenen Stadion auflaufen.

Bester Kader seit Jahren?

Mit den Bayern wurde der 30-jährige Innenverteidiger dreimal Meister, nun kehrte er für kolportierte 30,5Millionen Euro ins Ruhrgebiet zurück. Das Intermezzo beim Erzrivalen dürfte ihm der BVB-Anhang mittlerweile verziehen haben. „Auf diese besondere Atmosphäre rund um den Verein, auch im Stadion, habe ich große Lust. Wenn es läuft, sind die Menschen hier besonders euphorisch“, meinte der Rückkehrer im „Kicker“. „In Dortmund sind Titel mehr wert als anderswo.“

Zwar wurde Hummels im März von Joachim Löw aus der deutschen Nationalmannschaft aussortiert, doch viele halten ihn nach wie vor für den besten deutschen Innenverteidiger. Mit dem Routinier bekommt die in der vergangenen Rückrunde schwächelnde BVB-Abwehr viel Stabilität und Erfahrung. Dass erneut ein Neun-Punkte-Vorsprung auf die Bayern verspielt wird – die Münchner lagen am Ende der Saison zwei Zähler voran–, darf mit Hummels nicht mehr passieren. Die Führungsrolle auf und neben dem Platz nahm der meinungsstarke Abwehrchef prompt an, auch wenn Marco Reus weiter die Kapitänsbinde trägt. „Ich will mit Leben füllen, was von mir erwartet wird: gut zu spielen, die Verantwortung zu übernehmen, wenn es einmal nicht läuft, in schwierigen Situationen meinen Mann zu stehen und die anderen mitzureißen“, erklärte Hummels.

Ein weiterer BVB-Trumpf ist die Offensive. Marco Reus ist unverzichtbar, ihn kann nur seine fragile Gesundheit stoppen. Paco Alcácer war der treffsicherste Stürmer der vergangenen Hinrunde, Mario Götze zeigte zuletzt stark ansteigende Form. Und Jadon Sancho gehört ohnehin zu den größten Talenten im Weltfußball. Neu hinzugestoßen sind Thorgan Hazard und Julian Brandt, die Dortmund schon unmittelbar nach Saisonende verpflichtet hat. Dass der 23-jährige Offensiv-Allrounder Brandt für 25 Millionen Euro zu haben war, ist angesichts seiner Qualitäten ein besonderes Transferschnäppchen. Schon jetzt sprechen manche Beobachter vom besten BVB-Kader der vergangenen 15 Jahre.

Favre vs. Kovač

Gewohnt zurückhaltend gibt sich Trainer Lucien Favre. „Ich verstehe, dass wir das sagen“, meinte der 61-jährige Schweizer, nachdem seine Vereinsbosse den Meistertitel als Ziel ausgegeben hatten. „Wir haben eine sehr gute vergangene Saison gespielt und müssen ehrgeizig sein. Aber meine Philosophie bleibt weiter ,Spiel für Spiel‘.“ Beim Supercup-Triumph zeigte seine Truppe eine solide Abwehrleistung und pfeilschnellen, sehenswerten Konterfußball. Favre ist bekannt für seine taktische Raffinesse, die Entwicklung von seinen Spielern begleitet er bis ins kleinste Detail. Noch kann er in verhältnismäßig ruhiger Umgebung arbeiten, während Niko Kovač, sein Gegenüber in München, von der ersten Minute an unter Druck steht (auch in der Champions League) und die Querschüsse seiner Vereinsführung parieren muss. Hinzu kommt der dünne Bayern-Kader angesichts von Umbruch und Transferstau.

In Dortmund haben sie das Ziel „Meisterschaft“ jedenfalls verinnerlicht, der Glaube an den Titel wächst und wächst. Erstmals seit 2013 würde der Champion nicht FC Bayern heißen. Letzter Meister vor den Münchnern war der BVB. Damals noch mit Mats Hummels.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.08.2019)

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