Das Luftschiff ist tot – es lebe das Luftschiff!

Die fliegenden Ungetüme könnten ein zentraler Schlüssel für eine Wasserstoffwirtschaft der Zukunft werden.

Das Unglück war eines der spektakulärsten des 20. Jahrhunderts: Am 6. Mai 1937 explodierte das deutsche Luftschiff Hindenburg in den USA – das Traggas Wasserstoff hatte sich entzündet. Seither gelten Luftschiffe als tot; die vereinzelten Wiederbelebungsversuche von Helium-Luftfrachtschiffen endeten alle in Finanzdesastern.

Dennoch: Totgesagte leben länger. Wie eine internationale Forschergruppe unter der Leitung von Julian David Hunt vom Institut für angewandte Systemanalyse (IIASA) in Laxenburg nun darlegte, ist das Prinzip gerade in Zeiten des Klimawandels aktueller denn je. Und zwar durch eine Ausweitung des Fokus: Es geht bei diesen Überlegungen nicht nur um eine umweltfreundliche Form des Transports von Gütern, sondern auch von Energie. Denn mit neuartigen Luftschiffen könnte auch das Traggas Wasserstoff, das z. B. mit überschüssiger Wind- oder Sonnenenergie hergestellt wird, günstig zum Ort des Bedarfs transportiert werden (Energy Conversion and Management, 27.7.).

Die Antriebsenergie dafür ist gratis: Genutzt werden Jetstreams, also jene stetigen Westwinde, die in acht bis zwölf Kilometern Höhe mit 200 bis 600 km/h dahinbrausen. Die Forscher haben nun die effizientesten Flugrouten berechnet. Demnach dauert eine Erdumkreisung auf der nördlichen Halbkugel 16 Tage, auf der südlichen 14 Tage; das ist schneller als per Frachtschiff.

Die Forscher deklinieren in der Studie alle bisherigen Schwierigkeiten beim Bau und Betrieb von Luftschiffen durch und haben für die allermeisten Probleme Lösungen parat. Neben neuen Materialien und besseren Wetterprognosen ist der Wasserstoff selbst der Schlüssel dafür: Das Gas ist und bleibt zwar explosiv und damit riskant, doch moderne Technologien ermöglichen viele Arten der Umwandlung – etwa Kompression, Verflüssigung oder Umwandlung in Energie per Brennstoffzellen. Dadurch ließen sich die Manövrierfähigkeit und die Wirtschaftlichkeit deutlich verbessern, so die Forscher. Die Ideen reichen hin bis zur Erzeugung von künstlichem Regen (Wasser, das bei der Oxidation von Wasserstoff entsteht) über Dürregebieten.

Die Überlegungen sind auch für die Weltwirtschaft relevant: Laut einer Modellrechnung könnte eine Flotte von gut 1000 riesigen Luftschiffen rund ein Zehntel der Energie des heutigen globalen Stromverbrauchs transportieren. Was ein wesentlicher Beitrag zu einer Wasserstoffwirtschaft der Zukunft wäre.

Der Autor leitete das Forschungsressort der „Presse“ und ist Chefredakteur des „Universum Magazins“.

meinung@diepresse.com

www.diepresse.com/wortderwoche

("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.08.2019)

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