Trumps Twitterfehde mit Musliminnen

Die demokratischen US-Abgeordneten Rashida Tlaib (l.) und Ilhan Omar.
Die demokratischen US-Abgeordneten Rashida Tlaib (l.) und Ilhan Omar.Carol Guzy / Zuma / picturedesk.com.
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Zwei US-Abgeordnete wollten nach Israel reisen, um Solidarität mit den Palästinensern zu zeigen. Ein Tweet des US-Präsidenten hat die Mission der beiden Demokratinnen offenbar verhindert. Nicht aber eine aufgeheizte Diskussion darüber.

Ein guter Rat erfahrener Twitteruser lautet: Nicht provozieren lassen! Niemals betrunken texten! Lieber fünf Minuten warten, noch einmal lesen – und erst dann die Botschaft abschicken! Aber erkläre das einmal dem schamlosen Donald Trump, der seit 2017 für die Republikaner im Weißen Haus den Chef spielt. Oder hemmungslosen Karrieristen unter seinen politischen Gegnern. Auch sie haben extrem niedrige Hemmschwellen, Unsinn in die Welt zu setzen. Derzeit hat Trump Zwist mit linken Populistinnen der Demokraten, mit den Abgeordneten Rashida Tlaib und Ilhan Abdullahi Omar. Das mag fast so unterhaltsam sein wie bösartiger Rap. Doch ist es weit gefährlicher.

Der US-Präsident nutzt Twitter intensiv. Als @realDonaldTrump textet er, was das Zeug hält. Das hat bereits 2016 zu seinem Wahlsieg beigetragen. Derzeit hat er gut 63 Millionen Follower. So erreicht er mit minimalem Aufwand seine Fans direkt. Diese Strategie ersetzt immer öfter Diplomatie und wird, wie sich aktuell zeigt, sogar zur Realpolitik im Minenfeld Nahost.

Trumps Eröffnungszug: „Es könne sich als große Schwäche erweisen, wenn Omar und Tlaib erlaubt würde, Israel zu besuchen. Sie hassen Israel und alle Juden, und man kann nichts sagen oder tun, was ihre Meinung ändern würde.“ Er legte nach: „Omar und Tlaib sind das Gesicht der Demokratischen Partei, und sie HASSEN Israel.“ Israel reagierte prompt. Die Koalitionsregierung des Rechtspopulisten Benjamin Netanjahu beugte sich offensichtlich Trumps Wünschen. Im Gegensatz zu früheren Erklärungen verlautete nun, dass Tlaib und Omar nicht in Israel einreisen dürften, weil sie dem Land Schaden zufügen wollten.

Die beiden sind die ersten Musliminnen im US-Kongress. Sie unterstützen anti-israelische Boykottbewegungen. Es werden ihnen antisemitische Äußerungen vorgeworfen. Am Freitag, nach einer Welle von Protesten, wurde von Israel aber nachgebessert: Tlaib, deren Eltern Palästinenser sind, dürfe aus humanitären Gründen ihre Großmutter im Westjordanland besuchen.

Tlaib sagte ab: Die Bedingungen seien zu bedrückend. Ihre Großmutter würde es nicht wünschen, dass sie zum Schweigen gebracht und wie eine Kriminelle behandelt würde. „Das würde einen Teil von mir töten“, teilte sie ihren mehr als 720.000 Followern auf Twitter mit. Wollte sie mit ihrer Oma tatsächlich nur Feigen pflücken gehen? Sie glaube an den Kampf gegen Rassismus, Unterdrückung und Unrecht, schrieb die Abgeordnete. Ihre Ressentiments gegen Israels Regierung waren wohl stärker als die Sehnsucht nach einem Treffen mit Verwandten.

Und die zweite Abgeordnete, die als Achtjährige mit ihrer Familie aus dem Bürgerkrieg in Somalia geflüchtet war? Omar twittert für fast 1,5 Millionen Follower, dass man Amerikas Hilfe an Israel von jährlich drei Milliarden Dollar als Hebel benutzen solle, um den Palästinensern zu helfen. Sie bestärkt auch ihren Willen zum Aktivismus, zur Befreiung Palästinas: „Die Besetzung ist real. Kongressabgeordnete daran zu hindern, sie zu sehen, lässt sie nicht verschwinden. Wir müssen sie beenden – gemeinsam.“


„Büttel der USA“. Die Twitterfehde landete schließlich auch im öffentlich-rechtlichen Rundfunk Deutschlands. ARD-Chefredakteur Rainald Becker (2804 Follower) twitterte: „Israel wird immer mehr zum Büttel der USA!“ Büttel? Ist Israel tatsächlich der Gerichtsdiener oder gar der Scherge der westlichen Supermacht? Mit Büttel bezeichnen radikale Systemkritiker gern abwertend die Polizei. Würde Becker denn zum Ausgleich junge Hoffnungsträger der Demokraten als Handlanger der Hamas oder der Fatah titulieren? Er wies den Vorwurf des Antisemitismus entschieden zurück. Damit habe „Kritik an Israel oder an israelischer Politik nichts, aber auch gar nicht zu tun“.

Vielleicht sollte er das Twitterumfeld von Tlaib und Omar etwas genauer betrachten. Lesen. Analysieren. Noch einmal lesen. Da könnte schon ein gewisser Verdacht aufkommen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.08.2019)

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