Nach mehr als sechs Wochen verlässt der festgesetzte Supertanker „Grace 1“ Gibraltar. Nicht nur im Tankerstreit hat der Iran bekommen, was er wollte. Die USA dagegen haben ihre Ziele bis jetzt verfehlt.
Istanbul. Über dem Öltanker Grace 1 weht jetzt die Flagge Irans. Als der Supertanker mit zwei Millionen Barrel Öl den Hafen Gibraltars am Montag verließ, nachdem das britische Gibraltar ihn wochenlang festgehalten hatte, wurde an Bord die bisherige Flagge eingeholt und die der Islamischen Republik gehisst. Umbenannt wurde der Tanker außerdem. Er heißt ab jetzt Adrian Darya. Hektische Versuche der Vereinigten Staaten, den Tanker weiter festzuhalten, wirkten wie ein indirektes Eingeständnis des Scheiterns. Denn der Iran steht als vorläufiger Sieger der jüngsten Eskalationsrunde im Streit mit den USA seit dem Frühjahr fest.
Im Mai hatte die Regierung von US-Präsident Donald Trump die Ausnahmegenehmigungen für Länder wie China beim Kauf von iranischem Öl beendet und damit die Sanktionen gegen den Iran verschärft. Trump will die Iraner mit einer Politik des „maximalen Drucks“ dazu zwingen, sich strengeren Vorgaben für ihr Atomprogramm zu unterwerfen und ihre aggressive Nahostpolitik aufzugeben. Deshalb verlegte Trump zusätzliche Marine- und Luftwaffeneinheiten an den Golf. Hardliner wie Sicherheitsberater John Bolton sahen ihre Stunde gekommen. Das Wort vom Regimewechsel machte die Runde.
Verunsicherte US-Verbündete
Doch Trumps Politik blieb bisher ohne durchschlagenden Erfolg. Zwar sind die iranischen Ölexporte stark zurückgegangen. Doch kompromissbereiter ist der Iran nicht geworden – im Gegenteil. Mit nadelstichartigen Angriffen auf Öltanker im Golf und verstärkten Drohnenattacken der verbündeten Huthis im Jemen auf Saudiarabien machte Teheran deutlich, dass eine militärische Eskalation für den Westen und für die US-Partner in Nahost einen hohen Preis haben würde.
Eine riskante, aber wirksame Taktik. Bei Trump kam die Botschaft jedenfalls an. Einen Militärschlag gegen Teheran blies der US-Präsident im Juni in letzter Minute ab. Mit dem Rückzieher verunsicherte der Präsident einige US-Verbündete: Sie kamen zu dem Schluss, dass sie sich im Fall des Falles nicht unbedingt auf Trump verlassen können, wenn der Iran zum Beispiel mit Raketen angreifen sollte.
Auch der US-Plan für einen internationalen Marineverband zum Schutz der Schifffahrt im Golf kommt nicht von der Stelle. Amerika sollte die Region am besten einfach in Ruhe lassen, ätzte der iranische Außenminister Mohammed Jawad Zarif in einem Interview mit al-Jazeera.