Wenn gute Buben böse werden

Auf ihren Rädern entdecken drei Freunde (Jacob Tremblay, Brady Noon, Keith L. Williams) die Erwachsenenwelt. Gut, dass die Erwachsenen davon nichts wissen.
Auf ihren Rädern entdecken drei Freunde (Jacob Tremblay, Brady Noon, Keith L. Williams) die Erwachsenenwelt. Gut, dass die Erwachsenen davon nichts wissen.(c) Universal
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Sie sind zwölf Jahre alt und werden beim Lügen rot. Doch dann erpressen sie Mädchen und dealen mit Drogen. Urängste der Eltern, in der Komödie „Good Boys“ werden sie wahr.

Also Leute, das ist wirklich gefährlich! Einfach so, mitten im heftigsten Verkehr, eine vierspurige Autobahn zu überqueren. Zu Fuß. Noch dazu, wenn man nicht einmal besonders sportlich ist. Nur weil man im Einkaufszentrum gegenüber eine Drohne kaufen möchte, genauer gesagt: ein Exemplar jener Drohne, die man dem Vater gefladert, dann ruiniert hat und die man deshalb ersetzen muss.

Was auch gefährlich ist: einen hauptberuflichen Dealer mit einem Paintball-Gewehr zu beschießen. In einem Haus, das voll ist mit Junkies und gefährlichen Gestalten, und das man, obwohl gerade zwölf Jahre alt, betreten hat, um Drogen zu besorgen. Mit Geld, das man nur hat, weil man die Sextoys der Eltern verscherbelt hat. Inklusive Gummipuppe.

Von der Gummipuppe glauben die drei Buben übrigens bis zum Schluss hartnäckig, man nutze sie, um an ihr Wiederbelebungsmaßnahmen zu trainieren.

Eben war er noch Mamas Liebling

Das ist das Spannungsfeld von „Good Boys“, produziert von Comedy-König Seth Rogen und inszeniert von Gene Stupnitsky, der für „The Office“ gearbeitet hat und nun sein Spielfilmdebüt vorlegt. Drei Buben, die Fantasy-Karten sammeln, beim Schulchor mitsingen und beim Lügen rot werden, die dann aber unversehens auf die schiefe Bahn geraten und in Teufels Küche landen. Eben waren sie noch Mamas Liebling und Papas großer Junge, schon treiben sie sich nachts auf der Straße herum und erpressen die Nachbarsmädchen.

Und das alles nur, weil Max (Jacob Tremblay) bis über beide Ohren in Brixlee verknallt ist. Was er ihr natürlich nicht sagen kann, niemals, auch wenn sie ganz offensichtlich auch in ihn verknallt ist. Beide sind zu schüchtern, beide zu unsicher. Da kommt Max' Chance: eine Kussparty! Aber wie küsst man? Was macht man da mit der Zunge? Und weil Max das nicht weiß, und die anderen auch nicht, sie interessieren sich noch nicht einmal für Mädchen, kommen sie auf die Idee, die Nachbarin zu beobachten, die gerade mit ihrem Freund im Garten herumturtelt. Weshalb sie die teure Drohne von Max' Vater zweckentfremden. Woraufhin das Unheil seinen Lauf nimmt. Mit aller Komik, zu der Seth Rogen und Gene Stupnitsky fähig sind.

Und mit viel Herz. Nie werden unsere drei Helden denunziert, kein Spaß geht wirklich auf ihre Kosten. Wenn, dann sind es die Eltern, über die sich der Film lustig macht. Ihre Ängste sind es, mit denen bravourös gespielt wird. Die Angst, dass die Kinder abrutschen. Dass sie in schlechte Gesellschaft geraten. Dass sie sich wehtun könnten. Gleich am Beginn des Abenteuers renkt sich Lucas spektakulär die Schulter aus. Und die Freunde renken sie ihm genauso spektakulär wieder ein. Wobei – ein bewusster Effekt – spektakulär die Glyzerintränen fließen.

Und die Eltern sind auch die eigentlichen Bösen. „Ich werde dich immer lieben“, sagt Max' Vater, nachdem er entdeckt hat, was sein Sohn in seiner Abwesenheit so alles angestellt hat: „Ich werde dich lieben, du bist schließlich mein Sohn. Aber von jetzt an mag ich dich nicht mehr.“ Es ist einer der wenigen wirklich beklemmenden Momente in diesem Film. Der ganze Höllenritt hat nur begonnen, weil Max Angst hatte vor der Reaktion seines Vaters.
Wie man sieht, zu Recht.

Es gibt keine Gefahr!

In den letzten Monaten sind etliche hervorragende Coming-of-Age-Filme in die Kinos gekommen, zufällig allesamt Debüts. Diese Filme waren einfühlsam und ehrlich wie Jonah Hills „Mid90s“ (derzeit auf Amazon Prime zu sehen). Sie zeigten, wie Kinder in emotionaler Verwahrlosung überleben („Wildlife“ von Paul Dano). Oder führten uns vor, wie die Kids eigentlich eh alles im Griff haben, jedenfalls das Wichtige („Der Sex-Pakt“ von Kay Cannon).

„Good Boys“ erzählt von einem Lebensgefühl, das so viele Ängste kennt – aber keine Gefahren. Diese Kinder fürchten sich vor dem Spott der Klassenkameraden, dem Zorn ihrer Eltern, vor der Polizei. Aber andererseits halten sie sich für unverwundbar, unbesiegbar. Weil sie es nicht besser wissen? Egal. Es ist ein tolles Gefühl: Sie glauben, sie könnten unversehrt einen Highway überqueren oder eine Drohne blind durch den Kamin ins Haus dirigieren. Sie glauben, dass am Ende alles gut wird und Max mit seiner Brixlee glücklich.

Und wenigstens eine Spielfilmlänge lang glauben wir Erwachsenen das auch.

„Good Boys“: ab 22. August im Kino.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.08.2019)

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