China könnte britischen Konsulatsmitarbeiter aus Hongkong inhaftiert haben

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Die Regierung in London ist über die mögliche Festnahme eines Angestellten besorgt. Twitter und Facebook berichten über großangelegte Falschinformationskampagnen über die Hongkonger Proteste in ihren Netzwerken.

Ein Mitarbeiter des britischen Konsulats in Hongkong könnte von festlandchinesischen Behörden inhaftiert worden sein. Der 28-jährige Simon Cheng werde vermisst, seitdem er vor mehr als zehn Tagen von Shenzhen zurück in die chinesische Sonderverwaltungszone reiste, berichtet das Nachrichtenportal „HK01". Er befinde sich an einem unbekannten Ort in Administrativhaft, sollen die Hongkonger Behörden der Familie mitgeteilt haben. Diese kann bis zu 15 Tage dauern.

Cheng soll sich regelmäßig aus geschäftlichen Gründen am Festland aufgehalten haben. Er habe sich nicht an den seit Wochen anhaltenden regierungskritischen Massenprotesten beteiligt und auch keine Stellung dazu bezogen, sagte seine Lebensgefährtin.

„Wir sind äußerst besorgt über Berichte, wonach ein Mitglied unseres Teams bei seiner Rückkehr von Shenzhen nach Hongkong festgenommen wurde“, teilte das britische Außenministerium am Dienstag mit. London rief die chinesischen Behörden auf, zur Aufklärung des Falls beizutragen. China forderte Großbritannien bereits mehrfach auf, jegliche "Einmischung" in den Konflikt zu unterlassen. Für Ärger in Peking sorgte zuletzt unter anderem ein Telefonat des britischen Außenministers Dominic Raab mit Regierungschefin Carrie Lam.

Erste versöhnliche Signale Carrie Lams

In der früheren britischen Kolonie Hongkong gibt es seit Wochen Massendemonstrationen für mehr Demokratie und gegen eine wachsende Einflussnahme Pekings. Die Demonstranten fordern einen Rücktritt von Regierungschefin Carrie Lam, die sie als Statthalterin der chinesischen Zentralregierung betrachten. Auch das gewaltsame Vorgehen der Polizei gegen die Protestierenden sorgte für Unmut. Die Demonstranten fordern daher auch eine unabhängige Untersuchung der Polizeigewalt. Entzündet hatten sich die Proteste an mittlerweile auf Eis gelegten Plänen Lams, ein Gesetz zu erlassen, das Auslieferungen Verdächtiger an das Festland erlaubt hätte.

Die Proteste in Hongkong waren zuletzt immer wieder in Gewalt umgeschlagen. Eine Großkundgebung mit hunderttausenden Teilnehmern am Sonntag blieb jedoch friedlich. Die Demonstration galt als Gradmesser, welchen Rückhalt die Protestbewegung in der 7,5 Millionen-Einwohner-Stadt noch hat.

Erstmals seit Wochen stimmte Lam am Dienstag nun versöhnliche Töne an. Sie hoffe darauf, dass die Demonstration den Beginn der "Rückkehr zur Ruhe" und zum Gewaltverzicht markiere. Sie wolle eine Dialogplattform gründen. Zugleich kündigte sie eine Untersuchung der seit dem 9. Juni andauernden Proteste und der damit verbundenen Beschwerden gegen die Polizei an. Diese solle jedoch von der Aufsichtsbehörde der Polizei und nicht, wie von Demonstranten gefordert, von einer unabhängigen Stelle durchgeführt werden.

Peking hatte zuletzt eine massive Drohkulisse aufgebaut. Angesichts von scharfen Kommentaren in der staatlich gelenkten Presse und Bildern von Truppenbewegungen nahe Hongkong gibt es international auch Sorge vor einem militärischen Eingreifen wie 1989 bei der blutigen Niederschlagung der Demokratie-Proteste auf dem Platz des Himmlischen Friedens in Peking.

China kritisiert Kontensperrung

Gleichzeitig dürfte die Volksrepublik zunehmend auf ausländische soziale Netzwerke setzen, um Falschinformationen zu verbreiten. Twitter und Facebook berichten von aus China stammenden Beiträgen und Accounts, die die Proteste in Hongkong diskreditieren sollten und die Demonstranten unter anderem als gewalttätig darstellen.

Der Kurznachrichtendienst Twitter machte 936 Accounts aus, über die koordiniert "politischer Streit in Hongkong gesät werden sollte". Zusätzlich sei ein Netzwerk aus rund 200.000 Accounts gesperrt worden, teilte Twitter am Montag mit. Man habe glaubwürdige Beweise, dass es sich um eine staatliche Kampagne handle. Facebook entfernte mit ähnlicher Begründung fünf Accounts, sieben Seiten und drei Gruppen. Mindestens einer der Seiten seien rund 15.500 Facebook-Profile gefolgt.

Twitter ging noch einen Schritt weiter und nimmt künftig keine Werbeanzeigen mehr von staatlichen Medien an. Staatsnahe Medien wie „China Daily“ hätten Werbungen auf Twitter platziert, die suggerierten das westliche Mächte die Demonstrationen unterstützten. Mit den Werbeprodukten von Twitter kann man zum Beispiel Beiträge auch in den Newsfeed der Nutzer bringen, die einem nicht folgen. Vom Steuerzahlern finanzierte Medien wie unabhängige öffentliche Sender sind von dem Verbot ausgenommen, wie Twitter in einem Blogeintrag betonte.

Der Schritt der US-Konzerne stieß in Peking auf Kritik: Im Ausland lebende chinesische Bürger und Studenten hätten das Recht, ihre Sicht der Dinge darzustellen, sagte Geng Shuan, Sprecher des Außenministeriums in Peking am Dienstag. Man müsse sich fragen, warum die offizielle Darstellung Chinas in den Medien negativ oder falsch sein solle.

(red.)

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