Weil die Europäer garstig sind und Londons Wünschen nicht nachkommen, werden die Briten ab dem 1. September den allermeisten EU-Treffen fernbleiben.
Das wirklich Erschreckende an dem seit mehr als drei Jahren andauernden Gezerre um Großbritanniens Austritt aus der EU ist die fortschreitende Regression der britischen Politik. Normalerweise geht man davon aus, dass mündige Bürger im Allgemeinen und Politiker im Speziellen in der Lage sind, aus der Vergangenheit Schlüsse auf die Gegenwart zu ziehen. In der Causa Brexit verhält es sich genau umgekehrt: Die Wahrnehmung der Gegenwart löst sich im lauwarmen Säurebad der Nostalgie auf. Je näher das Austrittsdatum rückt, desto dementer wirkt der Diskurs jenseits des Ärmelkanals. Mittlerweile haben wir das Stadium der Margaret Thatcher-Verehrung lägst hinter uns gelassen und sind bei Churchill und Hitler angelangt. Machen die Brexit-Ultras in diesem Tempo weiter, könnten sich vor dem 31. Oktober noch Sir Francis Drake, die Schlacht von Agincourt sowie die normannische Invasion von 1066 ausgehen.
Mit diesem Abbau der kognitiv-analytischen Fähigkeiten geht eine etwas befremdlich anmutende Infantilisierung einher. Das Team rund um Premierminister Boris Johnson scheint Politik als Sandkasten zu begreifen. Nachdem die EU keine Bereitschaft an den Tag legt, die britischen Forderungen nach dem Aufschnüren des bereits fix verhandelten Austrittsabkommens zu erfüllen, will London zur Strafe nicht mehr mit den Europäern spielen: Die britische Regierung kündigte Dienstagabend an, dass ihre Mitglieder ab dem 1. September den allermeisten EU-Sitzungen fernbleiben werden.
Und nun die Pointe: Laut der offiziellen Mitteilung des EU-Austrittsministeriums soll der Abbruch der Kontakte zur EU den britischen Regierungsmintgliedern die Möglichkeit eröffnen, „die künftigen Beziehungen zur EU“ zu gestalten. Auf diese Idee kann nur kommen, wer beruflich zwischen Hüpfburg und Sandburg pendelt.