Investoren kaufen nicht mehr alles

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Am Mittwoch platzierte Deutschland erstmals eine 30-jährige Anleihe mit negativer Rendite. Die Emission erwies sich als Flop. Es fanden sich weniger Abnehmer als geplant.

Wien/Paris. An den Anleihenmärkten ist das Abnormale längst zur Normalität geworden. Schön beobachten konnte man das wieder einmal am gestrigen Mittwoch. Bei einer Emission neuer 30-jähriger Bonds konnte die Bundesrepublik Deutschland ihre Papiere erstmals mit einer Rendite von unter null Prozent verkaufen. Diese lag bei minus 0,11 Prozent, teilte die mit dem Schuldenmanagement Deutschlands beauftragte Finanzagentur mit. Dies bedeutet, dass Investoren dafür bezahlen, der öffentlichen Hand Geld leihen zu dürfen. Deutschland sammelte bei seiner Anleiheauktion immerhin 824 Mio. Euro an neuem Kapital ein.

Und genau hier liegt der Schönheitsfehler. Denn ursprünglich wollte der Bund zwei Milliarden Euro platzieren, was ihm aber nicht gelang. Endlich eine kleine Investoren-Revolte, freute sich Bloomberg-Kolumnist Marcus Ashworth. Er bezeichnete die deutsche Emission als „Blindgänger“.

„Das zeigt, dass weniger 30-jährige Anleihen mit negativer Rendite nachgefragt werden“, so Marco Meijer von BNP Paribas. Möglicherweise könnte dies auch ein Anzeichen dafür sein, dass die globale Bondrallye eine Atempause einlegt hat. Immerhin werfen derzeit Anleihen im Volumen von 16 Billionen Dollar negative Renditen ab. Normalerweise bezahlen Staaten ihren Gläubigern etwas, wenn sie von diesen Geld erhalten.

Doch die unlängst wieder aufgeflammte Angst vor einer weltweiten Rezession treibt Investoren vermehrt in die als sicher geltenden Staatsanleihen. Deutschland kommt da ein Sonderstatus zu, da die Schuldverschreibungen des Landes als Benchmark innerhalb Europas gelten, an der sich alle – Investoren und Staaten – orientieren. Hinzu kommen Spekulationen auf Zinssenkungen der Europäischen Zentralbank und eine Wiederaufnahme von Anleihenkäufen. Dies drückte die Rendite der 30-jährigen deutschen Titel Anfang des Monats erstmals unter die Marke von null Prozent.

Seither sind sämtliche Schuldtitel Deutschlands für Investoren zum Verlustgeschäft geworden. Viele stellt das vor ein Dilemma. „Für die Anleger wird der Druck immer größer, ein profitables Geschäft zu schaffen“, sagte NordLB-Analyst Michael Schulz. Früher konnten sie in Anleihen mit längerer Laufzeit ausweichen, doch werfen auch die nun keine Rendite mehr ab. „Es dürfte nun versucht werden, auf riskantere Anlageformen wie privates Beteiligungskapital auszuweichen, weil das noch Rendite verspricht“, sagte Schulz. Versicherer können wegen der regulatorischen Vorschriften allerdings auch nicht unbegrenzt auf riskantere Anlagen ausweichen. Sie müssen Kundengelder zu einem Großteil in sichere Anlagen stecken. Dazu gehören deutsche Staatsanleihen, die von den großen Ratingagenturen mit der Bestnote „AAA“ bewertet werden.

Nicht mehr am Abgrund

Wie absurd die Lage an den Rentenmärkten ist, lässt sich auch an den Renditen der Peripheriestaaten ablesen. In den Jahren nach der Finanzkrise wurden die Schuld-Titel eher wie heiße Kartoffeln gehandelt.

Die zehnjährigen Renditen Spaniens und Portugals fielen in der Vorwoche unter den Wert von 0,1 Prozent. Sie lagen damit weit entfernt von ihren einstigen Höchstständen (von fast acht bzw. 18 Prozent), die die Bonds in der Euroschuldenkrise erreichten.

Damals mussten die Länder Rettungspakete von der Europäischen Union oder dem Internationalen Währungsfonds in Anspruch nehmen. Bei beiden Staaten sank der Renditespread gegenüber Deutschland, ein wichtiges Risikomaß, im Vormonat auf ein Rekordtief. (Reuters/Bloomberg/nst)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 22.08.2019)

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