Johnson witzelt bei Merkel: „Wir schaffen das!“

Boris Johnson und Angela Merkel in Berlin.AFP
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Merkel gibt Johnson bei dessen Besuch in Berlin implizit 30 Tage Zeit, eine Lösung in der Irland-Frage vorzulegen. Auch in Paris erwartet den britischen Premier am Donnerstag harter Gegenwind. Im Vorfeld des Besuchs warnte Frankreichs Präsident Macron: Die USA könnten die EU nicht ersetzen.

Berlin/London. Der britische Premierminister Boris Johnson gibt am Mittwoch im Berliner Kanzleramt ein paar Kostproben seines berüchtigten und zuweilen eigenwilligen Humors. Er zählt an der Seite von Angela Merkel die Themen auf, die sie gleich beim Abendessen besprechen würden. Ganz zum Schluss nennt er „diese Kleinigkeit des Brexit“. Und kurze Zeit später blickt er hinüber zu Merkel, wechselt auf Deutsch und sagt: „Wir schaffen das!“

Johnson zitiert also den berühmtesten Einzeiler der Kanzlerin. Gesagt in der Flüchtlingskrise. Merkel war vielfach vorgeworfen worden, dass sie die vier Silben nicht näher ausbuchstabiert hatte, also nicht erklärt hatte, wie sie es denn schaffen wolle. Das gilt mindestens genauso für Johnsons „Wir schaffen das“ nun im Brexit-Poker.

Aber zumindest gab es diesmal beim britischen Berlin-Besuch keine Pannen im Protokoll. Es klemmte keine Autotür. Johnson musste nicht verloren warten, weil Merkel noch nicht da war. Beides war seiner Vorgängerin, Theresa May, hier im Kanzleramt widerfahren. Nein, bei schönstem Sommerwetter wurde der neue britische Premier mit allen militärischen Ehren empfangen. Er lauschte an der Seite Merkels den Nationalhymnen – und zwar sitzend, so wie das inzwischen üblich ist, seit Merkel bei Staatsempfängen mehrfach im Stehen gezittert hatte.

„No brexit“, skandierten indes Zaungäste am Kanzleramt und leiteten damit über zum dominierenden Thema dieser ersten Auslandsreise des britischen Premierministers. Denn wiewohl man abseits von Johnsons Witzeleien allerlei Höflichkeiten austauschte und Merkel den „Geist der Freundschaft“ beschwor: Inhaltlich liegt man eben weit auseinander. „Der Backstop muss einfach gestrichen werden“, wiederholte der britische Premier in Berlin. Die EU und auch Merkel haben Nachverhandlungen des Austrittsabkommens schon abgelehnt.

Die Irland-Frage

Der sogenannte Backstop dient zur Verhinderung von Grenzkontrollen zwischen Nordirland und der Republik Irland und tritt in Kraft, falls die EU und Großbritannien am Ende der Übergangsperiode nach dem EU-Austritt noch immer kein langfristiges Abkommen fixiert haben sollten. In diesem Fall soll das Vereinigte Königreich im regulatorischen Orbit der EU und innerhalb der EU-Zollunion verbleiben.

Der Backstop, sagte die Kanzlerin, sei ja nur ein „Platzhalter“. Bis man eben eine dauerhafte Lösung des Irland-Problems gefunden hat. Bisher ging man davon aus, dass es bis zu einer solchen Einigung zwei Jahre dauern würde. Aber man könnte die Lösung ja vielleicht auch in den „nächsten 30 Tagen“ finden, sagte Merkel. „Warum nicht?“ Das wäre dann also noch vor dem 31. Oktober, dem Tag, an dem Johnson die Briten aus der EU führen will. Mit oder ohne Abkommen. Johnson schien das 30-Tage-Zeitfenster zu akzeptieren. So lange hat er Zeit, eine Backstop-Alternative vorzulegen und sein „Wir schaffen das“ mit Leben zu füllen.

Macron bleibt in Brexit-Frage hart

Eine praktikable Lösung braucht Johnson jedenfalls, wenn er sich die Zustimmung der EU-Staaten sichern müssen. Denn nicht nur in Berlin, auch in Paris erwartet Johnson am Donnerstag harter Gegenwind: Schon im Vorfeld erteilte Frankreichs Präsident Emmanuel Macron Johnson eine Absage zu seinen Brexit-Plänen: Es werde keine Neuverhandlung und keinen Verzicht auf den Backstop geben. Sollte es zu einem ungeregelten Ausscheiden Großbritanniens aus der EU kommen, sei dies auf die Regierung in London zurückzuführen und nicht auf die Europäische Union.

Und: Macron warnte Johnson vor der Vorstellung, ein Handelsvertrag mit Amerika könne Großbritannien vor wirtschaftlichen Einbrüchen schützen: "Können die Kosten für einen harten Brexit von den USA ausgeglichen werden? Nein!"

("Die Presse", Print-Ausgabe, 22.08.2019)


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