Keine Negativzinsen für Kleinsparer?

Aller Augen sind auf Finanzminister Scholz gerichtet, der ein Verbot prüfen lässt.
Aller Augen sind auf Finanzminister Scholz gerichtet, der ein Verbot prüfen lässt. (c) APA/AFP/TOBIAS SCHWARZ (TOBIAS SCHWARZ)
  • Drucken

SPD-Finanzminister Scholz lässt prüfen, ob man Kleinsparer von Minuszinsen ausnehmen kann. Die Europäische Zentralbank könnte die Strafzinsen für Banken bald erhöhen.

Berlin. Die deutsche Regierung lotet ein mögliches Verbot von Strafzinsen für Kleinsparer aus. „Das Bundesfinanzministerium hat eine Prüfung veranlasst, ob es der Bundesregierung rechtlich überhaupt möglich ist, Kleinsparer vor solchen Negativzinsen zu schützen“, sagte Scholz den Zeitungen der Funke-Mediengruppe. Diese Prüfung sei aber kompliziert und werde etwas dauern.

Scholz reagierte damit auf einen Vorstoß von CSU-Chef Markus Söder. Der bayerische Ministerpräsident hatte eine Bundesratsinitiative angekündigt mit dem Ziel, Beträge bis 100.000 Euro von solchen Strafzinsen auszunehmen. Banken müssten ihre Kosten anders ausgleichen. „Sparen muss belohnt und darf nicht bestraft werden“, sagte Söder.

Geschäftsbanken müssen seit Mitte Juni 2014 Zinsen zahlen, wenn sie Geld bei der Europäischen Zentralbank (EZB) parken. Derzeit verlangt die EZB 0,4 Prozent Strafzinsen. Damit wollen die Währungshüter die Kreditvergabe und so die Wirtschaft im Euroraum ankurbeln. Allein Banken in Deutschland kostet der Negativzins rund 2,3 Mrd. Euro im Jahr.

Einzelne Institute geben die Strafzinsen der EZB bereits seit einiger Zeit an Unternehmen oder große Investoren wie Fonds weiter. Und selbst reiche Privatkunden werden mancherorts zur Kasse gebeten. Das Gros der Privatkunden jedoch ist bis dato von Strafzinsen verschont geblieben – zu groß ist die Sorge, Kunden zu verprellen.

Viele deutsche Banken haben aber bereits in der Vergangenheit angekündigt, Kleinsparer auch weiterhin verschonen zu wollen. Vielfach wird eher damit gerechnet, dass die Institute an der Gebührenschraube drehen, um ihre Kosten hereinspielen zu können.

Die Andeutung von EZB-Präsident Mario Draghi, die Notenbank könnte den negativen Einlagenzins verschärfen, womöglich schon in ihrer nächsten Zinssitzung am 12. September, hat die Branche alarmiert. „Es könnte sein, dass viele Banken auf Dauer nicht mehr umhinkönnen, die zusätzlichen Belastungen auch in der Breite an Privatkunden weiterzugeben“, sagte Andreas Krautscheid vom Bundesverband deutscher Banken. Ähnliche Stimmen kamen aus dem Lager der Genossenschaftsbanken: „Es wird für Banken immer schwerer, bei anhaltenden Negativzinsen eine angemessene Profitabilität im Kundengeschäft sicherzustellen“, so die Präsidentin des Bundesverbandes der Deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken (BVR), Marija Kolak. „Insbesondere, wenn auf die Weitergabe der negativen Zinsen im Mengengeschäft verzichtet wird.“

Warnung vor Destabilisierung

Selbst die deutsche Versicherungsindustrie denkt bereits darüber nach, Geld in Tresoren statt auf Konten zu parken, sollte der Einlagenzins der Notenbank weiter sinken. Weil es sich dann nämlich rechnen könnte, Geld in Form von Bargeld physisch zu lagern.

Die deutsche Kreditwirtschaft betonte nach dem Söder-Vorstoß, Banken und Sparkassen kalkulierten wie andere Kaufleute auch ihre Preise und Entgelte auf Grundlage des Marktumfeldes in eigener Verantwortung. „Gesetzliche Verbote sind systemfremd, helfen den Kunden nicht weiter und können letztlich zu einer gefährlichen Instabilität der Finanzmärkte führen“, so die Interessenvertretung der Spitzenverbände von Banken und Sparkassen.

Auch der Ökonom Marcel Fratzscher lehnt ein Verbot von Negativzinsen für Kleinsparer ab. Die Forderung sei populistisch und gehe an der Realität vorbei. Fratzscher warnte vor weitreichenden Folgen eines Verbots: „Im Extremfall könnte das zur Destabilisierung des deutschen Bankensystems führen.“ (APA/DPA/red.)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.08.2019)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.