Italien auf Regierungssuche - eine Quadratur des Kreises

Ex-Premierminister Matteo Renzi brachte die mögliche Koalition mit den Fünf Sternen als einer der ersten ins Spiel.
Ex-Premierminister Matteo Renzi brachte die mögliche Koalition mit den Fünf Sternen als einer der ersten ins Spiel.REUTERS
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Während die PD ihre fünf Bedingungen an das Zehn-Punkte-Programm der Fünf Sterne anzunähern versucht, gibt es auch Bemühungen der Lega, die „Cinque Selle“ noch einemal für sich zu gewinnen.

Italiens Staatschef Sergio Mattarella hat den Parteien mehr Zeit für Regierungsgespräche gegeben. Eine erste Verhandlungsrunde zwischen den bisher regierenden FünfSternen und den oppositionellen Sozialdemokraten (PD) ging gestern ohne Ergebnisse zu Ende. "Es gibt keine unüberwindbare Probleme", verlautete es auf PD-Kreisen.

Optimismus klingt anders. Die beiden Parteien prüfen die Möglichkeit, eine Koalition auf die Beine zu stellen, die bis Ende der Legislaturperiode 2023 hält. "Die Gespräche sind in einem positiven und konstruktiven Klima verlaufen, wir sind zuversichtlich", sagte der PD-Fraktionschef Andrea Marcucci. Die beiden Parteien wollen die Gespräche in den nächsten Tagen fortsetzen. Bis Dienstag haben die Sozialdemokraten (Partito Democratico/PD) und die populistische Bewegung Zeit, sich auf einen Koalitionsvertrag zu einigen und Italien Neuwahlen zu ersparen. Doch der Weg zu einem Regierungspakt ist hürdenreich.

Fünf Bedingungen und Zehn-Punkte-Programm

Die Sozialdemokraten hatten sich am Mittwoch für Verhandlungen mit den Populisten bereit gefunden, allerdings fünf Bedingungen gestellt, darunter die "treue Mitgliedschaft" in der EU und eine Änderung der Migrationspolitik. Diese fünf Bedingungen müssen die Sozialdemokraten jetzt mit dem Zehn-Punkte-Programm der FünfSternen ("Cinque Stelle") auf einen gemeinsamen Nenner bringen. Dieses Programm sieht unter anderem die Verkleinerung des Parlaments, Umweltschutz und Familienpolitik vor. Auch die Einführung eines gesetzlich festgelegten Mindestlohns, Entbürokratisierungsmaßnahmen, Senkung der Lohnnebenkosten und eine Justizreform sind Anliegen der FünfSterne.

Am Ende zweitägiger Konsultationen drängte Staatschef Mattarella die Parteien am Donnerstagabend zu raschem Handeln, da Italien vor mehreren entscheidenden Terminen stehe. Das Land brauche eine Regierungsmehrheit, die auf einem klaren Koalitionsprogramm basiere. "Wenn diese Bedingungen nicht vorhanden sind, bleibt der einzige Weg jener der Neuwahlen", so Mattarella. Am kommenden Dienstag will der Staatschef eine neue Runde politischer Konsultationen starten. Sollten diese ergebnislos zu Ende gehen, bleiben vorgezogenen Parlamentswahlen die einzige Lösung für die Regierungskrise.

Auch Lega und Fünf Sterne sondieren Comeback

Innenminister und Lega-Chef Matteo Salvini, der die Koalition mit der Fünf-Sterne-Bewegung am 8. August hatte platzen lassen, bemüht sich um eine Annäherung zu dem Ex-Partner. "Es besteht noch die Möglichkeit, die Beziehung zur FünfSterne-Bewegung zu retten. Der Weg ist eng, doch wenn der Wille zu Verhandlungen besteht, gibt es auf unserer Seite keine Probleme", kommentierte Landwirtschaftsminister Gian Marco Centinaio, Vertrauensmann Salvinis, am Freitag. Alessandro Di Battista, Spitzenpolitiker der FünfSterne-Bewegung, sprach sich für eine Wiederbelebung der Allianz mit der Lega aus. Dafür müsse seine Partei jedoch den Premierminister stellen, meinte Di Battista.

Ein von Salvinis Lega eingebrachter Misstrauensantrag gegen den parteilosen Ministerpräsidenten Giuseppe Conte scheiterte am Widerstand des bisherigen Koalitionspartners der Fünf-Sterne-Bewegung und der PD. Conte trat jedoch am Dienstag zurück.

Salvini setzt auf die Angst vor weiteren Migrantenankünften

Innenminister Salvini erklärte, er befürchte eine Abwendung Italiens von seiner Einwanderungspolitik der "geschlossenen Häfen", sollte es zu einer Koalition aus PD und FünfSterne kommen. Der Innenminister betonte, dass, seitdem er im Amt ist, nicht nur die Migrantenankünfte sondern auch die Zahl der Toten und Vermissten im Mittelmeer stark rückgängig seien. Seit Anfang 2019 seien 4.722 Migranten in Italien gelandet, im Vergleichszeitraum 2018 waren es 19.526 und im Jahr 2017 98.000.

Die Südtiroler Volkspartei (SVP) teilte inzwischen mit, dass sie im Parlament gegen eine Regierung aus PD und Fünf-Sterne stimmen würde. "Die SVP hat keine guten Erfahrungen mit der Fünf-Sterne-Bewegung gemacht", so Parteiobmann Philipp Achammer. Die Partei sei aber auch gegen Neuwahlen, weil Italien Stabilität und ein Budget 2020 benötige.

(APA)

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