Was macht der Mensch in der Industrie 4.0?

Welches Potenzial bietet Mixed Reality im Produktionsalltag?
Welches Potenzial bietet Mixed Reality im Produktionsalltag?REUTERS
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Auf dem Forum Alpbach diskutierten Forscherinnen und Forscher, welches Potenzial die Integration von Mixed Reality im Produktionsalltag bietet und welche Gefahren die Technologie birgt.

In der Werkshalle der Pilotfabrik der Technischen Universität (TU) Wien im 22. Wiener Bezirk entsteht ein 3-D-Drucker. Doch bis auf die Halle ähnelt hier kaum etwas einem klassischen Fertigungsbetrieb: Diverse Assistenzsysteme unterstützen den Menschen etwa bei der Montage des Druckers. Welches Bauelement muss als nächstes bereitstehen, welche Schraube sitzt noch locker? Ein Hologramm der Montageanleitung, eingeblendet von der Datenbrille des Monteurs, schwebt über dem Arbeitsplatz. Mixed Reality (MR) nennen das die Vordenker der Industrie 4.0.

Auswirkungen auf die Nutzer

„Mixed Reality bietet die Möglichkeit, den Menschen in die vernetzte Produktion einzubinden“, sagt Tanja Zigart, die an der TU Wien zu den Potenzialen der Technologie promoviert. Vermischte Realität – das ist die Synthese einer Entwicklung, die schon vor Jahrzehnten ihren Anfang nahm. Technische Hilfsmittel projizieren Informationen ins Wahrnehmungsfeld des Menschen, ohne die physische Realität komplett zu überlagern, so wie dies bei Virtual Reality Brillen der Fall ist. „Das komplexe Zusammenspiel von Mensch und Maschine wirkt sich nicht nur auf Kosten und Produktionsabläufe, sondern auch auf die Nutzerinnen und Nutzer selbst aus“, so Zigart.

Welche Konsequenzen MR im Werksalltag konkret hat, möchten Zigart und ihre Kollegen der Fachhochschulen St. Pölten und IMC Krems mit einem eigens entwickelten Modell erfassen. Daran beteiligt sind auch 24 österreichische Unternehmen und fünf wissenschaftliche Einrichtungen. Am Europäischen Forum Alpbach stellten Zigart und Thomas Moser, Professor in St. Pölten, in einer von der niederösterreichischen Wirtschaftsagentur EcoPlus organisierten Break-out-Session, erste Erkenntnisse vor. Die Agentur will mit ihrem „Haus der Digitalisierung“ Synergien zwischen Forschern und Industriepartnern schaffen. Noch ist das Haus virtuell, doch auch der Bau eines Zentrums in Tulln ist bereits geplant.

Warum in die Ferne schweifen

Große Hoffnungen setzen die beteiligten Unternehmen auf die Etablierung von Fernwartungssystemen. Datenbrillen wie Microsofts „HoloLens“ sollen es Expertinnen und Experten ermöglichen, ihre Kollegen über Kontinente und Zeitzonen hinweg bei der Reparatur oder Inbetriebnahme einer Maschine zu unterstützen. Lange Flugreisen könnten reduziert und eine dezentrale Produktion attraktiver werden.

„Das klingt erstmal vorteilhaft. Um zu erkennen, ob im Verlauf der Umstellung neue Herausforderungen entstehen, braucht es aber eine umfassende Evaluierung“, so Zigart, die sich einen solchen Fall in den kommenden Monaten genauer anschauen möchte. Offen bleibt auch die Frage nach der Datensicherheit vermischter Realität. Wie genau die Bilder etwa der „HoloLens“ gespeichert werden und wer darauf Zugriff erhält, wird mit fortschreitendem Einsatz der Technologie relevanter.

LEXIKON

Mixed Reality (MR) überlagert, verändert oder erweitert die Welt mit digitalen Hilfsmitteln. Im Gegensatz zur Virtual Reality wird die Umgebung nicht ausgeblendet, sondern als Basis für virtuelle Welten genutzt. Im Forschungsbereich „Human Centered Cyber Physical Production and Assembly Systems“, einer BMVIT Stiftungsprofessur an der TU Wien, wird zur Integration von MR in vier Gebieten des Industriealltags geforscht: Schulung und Weiterbildung, Präsentation von Produkten, Unterstützung der Produktion und Remote Support.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 24.08.2019)

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