Vorsichtiges Öffnen der Schleusen

Fed-Chef Powell sieht die US-Wirtschaft in einer „günstigen Position“.
Fed-Chef Powell sieht die US-Wirtschaft in einer „günstigen Position“.APA/AFP/ANDREW CABALLERO-REYNOLD
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Fed-Chef Jerome Powell deutete in Jackson Hole weitere Zinssenkungen an. Diese könnten jedoch weniger radikal ausfallen, als von Marktteilnehmern erwartet.

New York. Man kann es positiv sehen und festhalten: Jerome Powell hat es allen recht machen wollen. Oder man sieht es negativ und beobachtet, dass es der Fed-Chef letztlich keinem wirklich recht gemacht hat. In seiner mit Spannung erwarteten Rede in Jackson Hole stellte der wichtigste Notenbanker der Welt weitere Zinsreduktionen in Aussicht. Allerdings: Ganz so rasant nach unten, wie sich das viele Investoren – und vor allem der US-Präsident – wünschen würden, scheint es nicht zu gehen.

„Wir werden angemessen handeln, um den Wirtschaftsaufschwung beizubehalten“, sagte Powell am späten Freitag im Bundesstaat Wyoming. Und weiter: „Die Fed kann ihre Politik aktuellen Entwicklungen stets anpassen.“ Heißt übersetzt: Ein Zinsschritt um einen viertel Prozentpunkt auf eine Spanne von 1,75 bis zwei Prozent beim nächsten Fed-Treffen Mitte September ist so gut wie fix. Die Wahrscheinlichkeit dafür lag unmittelbar nach der Powell-Rede laut Futures-Börse CME in Chicago bei 99,6 Prozent. Powell wird liefern müssen, sonst steht ein Kursgemetzel ins Haus.

Besonders neu ist das alles nicht, schon vor Powells großem Auftritt rechneten Börsianer mit weiteren Zinssenkungen. Womöglich entscheidender ist der mittel- bis langfristige Ausblick. Der Fed-Chef verwies auf die Gefahren für die globale Konjunktur, das Risiko eines lang andauernden Handelskriegs zwischen Washington und Peking, und er zitierte erste Beweise, wonach der Disput bereits eindeutige Spuren hinterlasse. In China ist das Wachstum zuletzt stark zurückgegangen, Deutschland sieht sich überhaupt mit einer schrumpfenden Wirtschaft konfrontiert.

Und doch geht der oberste Währungshüter derzeit noch nicht von einer längeren Phase an Zinsreduktionen aus. In seiner Rede bezog er sich auf die Zinssenkungen von 1995 und 1998, die er mit heute verglich. Damals reduzierte die Fed ihren Leitzins jeweils dreimal, ehe sie den Wert schrittweise wieder anhob. Für Marktteilnehmer ist dieser Vergleich äußerst wichtig. Sie wissen: Powell wählt seine Worte wohl bedacht. Er würde die Politik von damals nicht erwähnen, wenn er nicht Ähnliches für heute plante. Entsprechend die Interpretation, dass die Fed bis Jahresende die Zinsen in eine Gegend von einem bis 1,5 Prozent senken könnte.

Bis dahin kann noch viel passieren, also „wird die Fed die Entwicklungen genau beobachten.“ Das ist ein vorsichtiger Seitenhieb in Richtung Donald Trump. Unmittelbar nachdem die Notenbank am 31. Juli die Zinsen senkte, kündigte der US-Präsident weitere Tarife auf chinesische Importe an. Powell kommentiert den Präsidenten und seine Politik prinzipiell nicht. Er stellte aber klar, dass eine Eskalation des Konflikts ein weiteres Öffnen der Geldschleusen nötig machen könnte.

Das Fed-Dilemma

Wirklich recht machen kann es der Fed-Chef aktuell ohnehin niemandem. Senkt er die Zinsen zu schnell, würden sich die Börsianer fragen, ob er etwas weiß, das sie nicht wissen. Schließlich wächst die US-Konjunktur solide, im zweiten Quartal hat sie um 2,1 Prozent zugelegt. Die Arbeitslosigkeit liegt nahe dem niedrigsten Wert seit 50 Jahren. Die Inflation ist etwas zu niedrig, aber von einer Deflation ist die weltgrößte Volkswirtschaft weit entfernt. Senkt Powell die Zinsen zu langsam, attackiert ihn wiederum Trump. Das Weiße Haus wünscht sich eine Reduktion um einen Prozentpunkt. Die wird es in absehbarer Zeit nicht geben, auch das stellte Powell in Jackson Hole zumindest indirekt klar.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 24.08.2019)

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