Auf dem Rasen, auf der Bank, im Stadion

Die Oakland Athletics (hier ein Bild aus dem Juni 2019) haben einst vorgemacht, wie Datenanalysen dem sportlichen Erfolg nützen können.
Die Oakland Athletics (hier ein Bild aus dem Juni 2019) haben einst vorgemacht, wie Datenanalysen dem sportlichen Erfolg nützen können.USA TODAY Sports
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Heute werden Teams mithilfe von Datenbanken gebildet, im Stadion Getränke per App bestellt, Derbys und Finale gestreamt. Wie die Digitalisierung den Spitzensport verändert, und wie man – ausbildungstechnisch – dafür trainieren kann.

Das Dasein im professionellen Mannschaftssport kann mitunter unbarmherzig sein. Das Muster ist meist dasselbe: Vereine mit dickem Budget bedienen sich bei kleineren Teams, kaufen deren beste Spieler, engagieren deren Trainer, Betreuer, Manager, Scouts. Dass kleinere und finanzschwächere Mannschaften nicht völlig chancenlos sein müssen, zeigt das Beispiel der Oakland Athletics. Unter der Ägide des damaligen General Managers, Billy Beane, gehörte das US-Baseballteam in den späten 1990er-Jahren zu den Ersten, die Daten und Statistiken nutzten, um sich unterbewertete – und dementsprechend billige – Spieler zu sichern.

Spieler mit GPS tracken

Der damals revolutionäre – und im Falle der Oakland Athletics auch erfolgreiche – Zugang, der im Buch und Film „Moneyball“ dokumentiert wurde, hat sich erst in den großen US-Profisportarten etabliert und längst auch den Weg nach Europa gefunden, vor allem in den Fußball. Durch rasante Fortschritte in der Digitalisierung hat er freilich eine völlig andere Dimension erfahren. Heute nutzen Vereine nicht nur Spielerdatenbanken mit Hunderttausenden Namen, um die richtigen Bausteine für ihr taktisches Konzept zu finden. Digitale Technologien helfen auch bei der Spielanalyse, der Match- und Trainingsvorbereitung oder informieren über den Heilungsverlauf verletzter Spieler.

„Die Digitalisierung – im Sinne von Messdatenbewertung mit digitalen Technologien – ist im heimischen Spitzensport noch nicht angekommen“, sagt Markus Tilp, Leiter des Instituts für Sportwissenschaft der Universität Graz. Bei kleineren Sportarten, wie etwa dem Handball, sei das auf begrenzte budgetäre Mittel zurückzuführen. Aber auch der Profi-Fußball hinke im internationalen Vergleich hinterher. Ein Tool, das genutzt wird: das GPS-Tracking von Spielern, um wichtige Einblicke zu gewinnen. Der FK Austria Wien nutze etwa Möglichkeiten der Datenerfassung und des Datenmanagements, sagt Vorstand Markus Kraetschmer, „um eine noch zielgerichtetere Arbeit mit den Spielern zu ermöglichen“, in der Kampfmannschaft, aber auch in der Akademie und beim Scouting.

Würfe in neuronalen Netzen

Was möglich sein wird und welche Rolle künstliche Intelligenz spielen kann (zum Teil wird sie im Ausland schon eingesetzt), zeigen spannende Studien, die an der Universität Graz verfolgt werden. So wurde mit Kameras in Handballspielen aufgezeichnet, wo sich der Ball zu welchem Zeitpunkt befindet, welche Laufwege die Spieler machen und wo Würfe getätigt werden. Mit diesen Positionsdaten wurden neuronale Netze gespeist. „In unserer ersten Studie haben wir mehr als 600 Spielzüge aufgezeichnet“, berichtet Tilp. Die neuronalen Netze hätten rund 40 Muster ermittelt, die immer auftreten. „Und sie können auch prognostizieren, wo im Handball auf Basis der vorhergehenden Pässe Würfe erfolgen.“ Solche Systeme können auch in anderen Sportarten eingesetzt werden, Studierende beschäftigen sich in Masterarbeiten mit der Digitalisierung zum Beispiel auch im Bereich Fußball, Volleyball, Frisbee. Behandelt wird das Thema an der Uni Graz im Studium der Sportwissenschaften unter anderem in der Vorlesung „Bewertungswissenschaftliche Methoden im Sport“.

Die Digitalisierung ist aber nicht nur im explizit sportlichen Bereich zu spüren, sondern vor allem auch im Sport- und Eventmanagement, wie Reinhard Grohs festhält. Der Professor für Sportmanagement und Verantwortlicher für den Studiengang Master BWL mit Schwerpunkt Sport- & Eventmanagement der Privatuniversität Schloss Seeburg sieht etwa den Stadionbesuch im Fußball als ein „völlig anderes Erlebnis als vor zehn Jahren“. Heute bestellen Besucher über Apps oder Access-Points von ihrem Sitzplatz aus Getränke, die ihnen gebracht werden, „gleichzeitig können über diverse Kanäle Sonderangebote aus dem Fanshop kommuniziert werden, die mit dem Spielverlauf gekoppelt sind – wie ein Rabatt von zehn Prozent auf das Trikot des Torschützen in Echtzeit“, weiß Grohs.

Extrem gewandelt hat sich auch die Fernsehrechte- und Streamingvermarktung – nicht nur im Fußball, sondern in vielen Sportarten. Hier „erleben wir derzeit eine Fragmentierung: Öffentliche TV-, aber auch Kabelsender verlieren hier zugunsten von Pay-TV-Anbietern und Streamingdiensten an Zusehern“, sagt Grohs.

Fürs Sammeln, gegen Doping

Solche Entwicklungen werden im Master BWL mit Schwerpunkt Sport- & Eventmanagement behandelt, auch in Dissertationen und Masterarbeiten. „Ein aktuelles Beispiel ist ein Dissertationsvorhaben darüber, wie die Blockchain als zentrales digitales Element eingesetzt werden kann, um Geschäftsmodelle zu entwickeln bzw. zusätzliche Einnahmequellen zu erschließen“, erklärt Grohs. Das könnte im Bereich Sammelkarten der Fall sein, aber auch Doping-Plattformen könnten die Blockchain-Technologie nutzen, um sichere und transparente Dopingkontrollen zu gewährleisten.

Eines steht jedenfalls fest: Wer sich für die Digitalisierung im Sport interessiert und sich damit in einem Studium auseinandersetzt, hat sicher nicht die schlechtesten Jobaussichten. „Dass digitale Technologien noch nicht in der breiten Sportpraxis eingesetzt werden, ist auch darauf zurückzuführen, dass dafür tiefgehendes fachspezifisches Know-how notwendig ist, über das in Österreich nur wenige verfügen“, sagt Tilp.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 24.08.2019)

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