Die kalifornische Stadt verliert den Kampf gegen die grassierende Obdachlosigkeit, ganze Straßenabschnitte sind zu schmutzigen Zeltstädten verkommen. Alkohol und Drogen sind allgegenwärtig, Notunterkünfte gibt es viel zu wenige – und gegen den Bau solcher stemmt sich bisweilen sogar das linksliberale Milieu.
Wer durchs Stadtviertel Tenderloin in San Francisco spaziert, hält besser die Augen offen. Auch festes Schuhwerk ist zu empfehlen – man will sich ja nicht mit einer der herumliegenden Drogennadeln stechen.
Der Gehsteig an der Golden Gate Avenue, in unmittelbarer Nähe der bekannten Market Street, ist nahezu unpassierbar. Hunderte Obdachlose prägen das Straßenbild, eine kleine, verschmutzte Zeltstadt inmitten San Franciscos ist dort entstanden. Und wer noch nie jemanden beobachten konnte, wie er sich Heroin in den Arm spritzt, muss hier nicht sehr lange auf diese Erfahrung warten.
Kaum woanders leben Reich und Arm so nahe zusammen wie in US-amerikanischen Metropolen, und kaum woanders ist dieses Phänomen aktuell so offensichtlich wie in San Francisco im schönen Kalifornien. Schlendert man etwa vom Luxushotel The Clift Royal Sonesta in Richtung Nordosten, kommt man an vielen schönen Restaurants und noblen Wohnhäusern vorbei. Spaziert man hingegen in Richtung Südwesten, stolpert man über schlafende Obdachlose, zerrissene Zelte und ausgehungerte Straßenhunde. Der Kontrast sticht ins Auge, ebenso wie die Tatsache, dass in den verkommenen Stadtteilen nahezu keine Polizisten die Straßen patrouillieren — man könnte meinen, die Behörden haben resigniert und wissen nicht mehr, was sie tun sollen.
Das Negativbeispiel schlechthin
In absoluten Zahlen klingt die Lage zunächst gar nicht so dramatisch. Etwas weniger als 10.000 Menschen ohne feste Unterkunft zählt San Francisco laut des U. S. Department of Housing and Urban Development, der Anlaufstelle für Statistiken zum Thema Obdachlosigkeit. In Los Angeles sind es rund 36.000 Personen, in New York City, der größten US-Stadt, mehr als 60.000. Und trotzdem: San Francisco gilt als das Negativbeispiel schlechthin – kaum eine andere Metropole in den Vereinigten Staaten hat einen schlechteren Ruf, wenn es um Obdachlose geht.