Doris Helmberger-Fleckl: „Wir müssen sichtbarer werden“

Mit Doris Helmberger-Fleckl hat die „Furche“ erstmals eine Chefredakteurin.
Mit Doris Helmberger-Fleckl hat die „Furche“ erstmals eine Chefredakteurin.(c) Akos Burg
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Seit 19 Jahren arbeitet Doris Helmberger-Fleckl bei ihrer Lieblingszeitung, der „Furche“. Als Chefredakteurin soll sie für das Blatt neue Leser gewinnen – und setzt dabei unter anderem auf eine digitale „Zeitmaschine“.

Seit Anfang August hat die „Furche“ eine Chefredakteurin: Doris Helmberger-Fleckl folgte auf Rudolf Mitlöhner (er ging zum „Kurier“). Sie ist die erste Frau an der Spitze der Wochenzeitung, die im kommenden Jahr – am 1. Dezember 2020 – ihr 75-jähriges Bestehen feiert. Das sei, sagt sie, „ein schönes Signal. Aber man will nicht darauf reduziert werden.“ Wie auch? Seit 19 Jahren ist sie als Redakteurin bei der „Furche“. Gleich nach dem Studium hat sie hier angefangen. Zuletzt leitete sie die Ressorts Gesellschaft und Bildung. „Ich bin fast ein Urgestein“, sagt Helmberger-Fleckl im Gespräch mit der „Presse am Sonntag“ und muss darüber selber schmunzeln.

Dabei hatte sie zunächst einen anderen Weg eingeschlagen und nach dem Besuch einer Klosterschule in Schlierbach drei Semester Architektur in Graz studiert. Erst danach fand sie zu ihren eigentlichen Interessen zurück: „Religion war in unserer Familie immer ein Diskursthema.“ Es habe unterschiedliche Zugänge gegeben, offene und weniger offene, oft wurde darüber gesprochen. Schon während sie dann Theologie und Germanistik studierte, sei klar geworden: Sie wollte nicht ins Lehramt, sie wollte schreiben. Zwei Praktika und ein Essay-Wettbewerb überzeugten sie schließlich von der „Furche“.

Den „Furche“-Schatz heben. Als Chefredakteurin ihrer „Lieblingszeitung“ liegen ihr die Digitalisierung, der Online-Auftritt und die Eroberung neuer, jüngerer Zielgruppen über soziale Medien am Herzen. „Ganz viele, die die ,Furche‘ das erste Mal zur Hand nehmen, sagen: Unglaublich, was das für eine tolle Zeitung ist – wie gibt's das, dass ich das vorher nicht gesehen habe?“, erzählt sie. Daraus ergibt sich ein klarer Auftrag: „Wir müssen sichtbarer werden.“ Unter anderem über die neue, großzügig gestaltete Website, die demnächst um ein Tool erweitert wird: die Zeitmaschine. „Die Grundidee ist, dass wir unser Herzstück, den ,Furche‘-Schatz, das sind 75 Jahre Zeitgeschichte, heben und zugänglich machen wollen.“ Die Zeitmaschine kann Inhalte, die vor zehn, zwanzig oder (in der letzten Ausbaustufe) vor 75 Jahren erschienen sind, mit aktuellen Inhalten verknüpfen. „Man kann eintauchen in die Geschichte und Bezüge herstellen. Der Algorithmus sucht Geschichten, die inhaltlich zu einem konkreten Thema passen“ – das sei „mehr als eine banale Schlagwortsuche“, vielmehr eine echte Innovation, schwärmt sie.

Ende Oktober soll die Zeitmaschine präsentiert werden. Zuvor wird die „Furche“ online eine Paywall einführen. „Das sind Inhalte, die wertvoll sind“, erklärt Helmberger-Fleckl diesen Schritt. Es wird ein eigenes Digital-Abo geben, Print-Abonnenten können das dazukaufen. „Es wird nicht so sein, dass man Artikel einzeln kaufen kann – wir wollen ja neue Abonnenten generieren und die Zielgruppe erweitern.“ Sie hat die Generation 35 plus im Visier, Leute, die auch bereit sind, für hochwertigen Content zu zahlen.

Anspruchsvolle Leser. Insgesamt 17 Mitarbeiter zählt die „Furche“, darunter zehn Redakteure. Ein kleines Kollektiv, Helmberger-Fleckl  versteht sich dort als „prima inter pares“. Die Vielzahl an externen Autoren trägt zu jener inhaltlichen Breite bei, die ihr so wichtig ist. Und sie muss auf die Zahlen schauen: „Dass es herausfordernd ist, verbindet uns mit fast allen Zeitungen, weil die Bereitschaft, ein Print-Abo abzuschließen, sinkt.“ Sie schätzt die Leserzahl auf 60.000 bis 70.000 pro Woche. „Es geht schon darum, diese Zahl zu erhöhen.“ Gelesen werde die „Furche“ von anspruchsvollen, bildungsaffinen Menschen mit Interesse an den großen Fragen der Zeit – nicht nur von Konservativen oder Klerus:. „Das ist absurd. Unsere Leser gehen von bis: Rechts und links sind hier keine tauglichen Kategorien, aber es gibt sowohl prononciert konservative als auch eher liberalere Leserinnen und Leser. Solche, die etwa in Fragen von Flucht und Migration kritisch sind – und solche, die sich persönlich für geflüchtete Menschen einsetzen und Offenheit einfordern. Wir wollen hier den wertschätzenden Diskurs fördern.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 25.08.2019)

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