Ethik der Digitalisierung

Gesucht wird eine Ethik der Digitalisierung: Antworten auf die vielen offenen Fragen hat derzeit noch niemand. Aber immerhin werden nun die Problempunkte immer klarer.

Die Digitalisierung krempelt unser Leben und Wirtschaften komplett um, kaum ein Bereich wird davon ausgenommen bleiben. Die Entwicklung kam anfangs schleichend, mit stetig steigenden Rechenleistungen, der zunehmenden Vernetzung und der Verfügbarkeit von „Big Data“, die per Künstlicher Intelligenz ausgewertet werden können. Nun ist der digitale Wandel „plötzlich“ unübersehbar und rasant – und überfordert uns. Neben den ungeahnten Chancen, bis hin zur Lösung komplexer globaler Herausforderungen, gibt es viele Risiken und noch viel mehr Ängste – etwa dass massenhaft Arbeitsplätze obsolet werden, dass ganze Gesellschaften auseinanderdriften oder dass Maschinen die Kontrolle übernehmen könnten.

Wie bei allen zentralen Technologien stellt sich auch bei der Digitalisierung die Frage, ob man alles tun sollte, was technisch möglich wäre. „Nicht jeder Schritt ist ein Fortschritt“, lautet ein stehender Satz von Hannes Androsch, dem Vorsitzenden des Forschungsrates. In diesem Sinne hat sich dieses Beratungsgremium der Bundesregierung nun des Themas angenommen.

Antworten auf die vielen drängenden Probleme hat natürlich auch der Forschungsrat nicht. Aber ausgearbeitet wurde nun immerhin ein umfassender Katalog von Fragen zur Ethik des digitalen Wandels. „Wir wollen damit einen breiten Diskussionsprozess auslösen“, sagte der Vize-Vorsitzende des Forschungsrates, der Genetiker Markus Hengstschläger, bei der Präsentation am Rande der Alpbacher Technologiegespräche. Die 60 Fragen drehen sich schwerpunktmäßig um die Themenbereiche Gesellschaft, Bio- und Neurotechnologien, den Gesundheitssektor, Künstliche Intelligenz und Robotik sowie die Möglichkeiten, die Entwicklung zu gestalten (www.rat-fte.at/publikationen).

Bei dieser Diskussion ist Österreich ein Nachzügler. Ähnliche Debatten laufen bereits etwa auf europäischer Ebene oder beim weltgrößten Ingenieursverband IEEE. Definitive Lösungen gibt es dort freilich auch noch keine. Diese zu finden, ist aber dringend. Zum einen für die Gesellschaft, die sich in einem demokratischen Prozess Spielregeln für den digitalen Wandel geben muss. Und zum anderen – noch dringender – für Forscher und Technologieentwickler, die eine Richtschnur brauchen, in welche Richtung weitergearbeitet werden kann und soll. Denn aufhalten kann man die gigantische Welle – manche sagen gar: den Tsunami – der Digitalisierung sicher nicht.  ?

Der Autor leitete das Forschungsressort der „Presse“ und ist Chefredakteur des „Universum Magazins“.

meinung@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 25.08.2019)

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