So macht man joblose Finnen glücklicher

Rautalampi, Finnland
Rautalampi, FinnlandErich Kocina
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Der Experte Juha Leppänen beantwortet Fragen zum finnischen Experiment mit dem Grundeinkommen.

Schnapsidee oder Antwort für große Zukunftsfragen? Schon lange erhitzt das bedingungslose Grundeinkommen die Gemüter. Die Finnen wollten keine Ideologie, sondern Fakten – und testeten das Konzept zwei Jahre lang an 2000 Arbeitslosen, plus Kontrollgruppe. Juha Leppänen weiß fast alles darüber, sein Think Tank Demos Helsinki steckte den Rahmen für das berühmte Experiment ab. Im „Presse"-Gespräch in Alpbach rückt er manches zurecht, was wir darüber zu wissen glauben.

Überraschung? Viele Verfechter des Grundeinkommens fielen aus allen Wolken, als die finnische Regierung den Test Ende 2018 auslaufen ließ und nicht wie geplant in größerem Maßstab verlängerte. Nicht so Leppänen: „Die Überraschung war, dass eine Koalition von Konservativen und Rechtspopulisten das Experiment überhaupt gestartet hat. Mit einer Verlängerung habe ich nie gerechnet. Auch die meisten meiner Landsleute nicht."

Mehr Glück? Der Trost für die Freunde des Konzepts: Die Bezieher des Grundeinkommens waren am Ende besser drauf als jene Arbeitslosen, die normale Sozialhilfe bezogen hatten. Aber das kann auch daran liegen, dass sie durch die weltweite Berichterstattung plötzlich im Rampenlicht standen – das hebt das Selbstwertgefühl. Ein verzerrtes Ergebnis also? „Ich verstehe die Sorge der Forscher", sagt Lepännen. Aber in unserer Zeit „komme man an den Medien nicht vorbei".

Null Jobeffekt? Die spontane Intuition des gesunden Menschenverstands lautet: Wer Geld für nichts bekommt, geht nicht arbeiten. Das sehen auch viele Ökonomen so, sie nennen es nur nobler: negative Einkommenselastizität des Arbeitsangebots. Die Anhänger des Grundeinkommens erwarten das Gegenteil: Vom Zwang befreite Menschen würden mit Feuereifer das tun, was sie wirklich interessiert. Der Praxistest ließ alle ratlos zurück: Am Ende war der Anteil der Arbeitslosen in Test- und Kontrollgruppe gleich groß. Ist es also egal, ob man Geld einfach überwiesen bekommt oder nur nach strengen Auflagen erhält? Es kann auch sein, dass sich positive und negative Effekte im Experiment zufällig ausgeglichen haben. „Das werden aber erst die Detailanalysen im Endbericht zeigen, der im Frühling nächsten Jahres vorliegt."

Idee tot? Für die meisten Kommentatoren stand mit dem Auslaufen fest: Das finnische Grundeinkommen ist gescheitert. Die Gegner rieben sich die Hände: Endlich könne man das Hirngespinst zu den Akten legen. Lepännen sieht es ganz anders: „Die Debatte ums Grundeinkommen hat seitdem an Schwung gewonnen – ob in Frankreich, den USA oder Schottland." Er selbst stehe der Idee „neutral" gegenüber. Aber ihm gefällt das Versprechen, das die neue Regierung in Helsinki gegeben hat: dass sie ständig dazulernen will. „Die Politik kann die richtigen Maßnahmen nicht erraten, sie muss sie testen. Dabei helfen wir." (gau)

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