Der rechtliche Schaukampf ist eröffnet

Ungewöhnliche Szenen zum Beginn der Rechtsgespräche.
Ungewöhnliche Szenen zum Beginn der Rechtsgespräche.(c) andrei pungovschi
  • Drucken

Grundrechte. Justizminister Jabloner sieht den Siegeszug der Grundrechte bedroht und übt Kritik an Ex-Minister Kickl.

Die Boxer stehen im Ring und schlagen mit ihren Fäusten im Takt des Schlagzeuges: „Bleib in Bewegung“, „Komm, schlag, schlag“ und „Mach sie fertig“ ruft der dahinter stehende Erzähler und erklärt, dass der Boxkampf eine einfache Metapher für Kämpfe aller Art sei. Im Fall von Flüchtlingen sei der Gegner das Meer, im Fall des Boxers der Typ, der einen vom Staatsmeister Titel abhält.

Mit diesem Schaukampf wurden die Rechtsgespräche zum Thema Freiheit gegen Sicherheit gestern, Sonntag, künstlerisch eröffnet. Die politische Rede hielt dann Justizminister Clemens Jabloner. Er sei zwar, wie der Expertenminister sagte, selbst einmal Mitglied eines Boxvereins gewesen. Das sei allerdings 50 Jahre her. „Heute bin ich nicht als Boxer zu ihnen gekommen.“ Angriffig zeigte sich Jabloner in seiner Rede trotzdem.

Als Gegner hatte er den Ex-Innenminister Herbert Kickl (FPÖ) ausgemacht. Dessen viel kritisierteAussage, wonach das Recht der Politik zu folgen habe, sei formal so weit richtig wie trivial. Doch der Ex-Minister sei zwar philosophisch gebildet, „wollte aber wohl keinen akademischen Beitrag leisten“, so Jabloner. Insofern gelte es, die Aussage politisch zu bewerten. Immerhin passe sie auch in eine Gegenwart, in der das politische Ziel der „illiberalen Demokratie“ immer expliziter angestrebt wird.

Unerwünschte Schranken

Kickl habe seine Aussage mit Blick auf die Europäische Menschenrechtskonvention, die unsere Grundrechte sichern soll, getätigt. Lange hätten diese Rechte als ganz unumstritten gegolten. Doch aktuell würde das Regelwerk von vielen Politikern in einem anderen Licht gesehen, nämlich als unerwünschte Schranke für Verschärfungen im Asyl- und Fremdenrecht.

„Der Siegeszug der Grundrechte ist ungeachtet ihrer steten Vermehrung und Verfeinerung ernstlich bedroht“, warnte der Vizekanzler. Kickls Politik-vor-Recht-Sager sowie die von ihm aufgetragene Umbenennung der Erstaufnahmezentren in Ausreisezentren seien Beispiele für die politische Absicht, die Grundrechte abzuwerten, aus einem positiven Zusammenhang zu lösen und in Verbindung mit Gefahr zu bringen. Deshalb müsse man versuchen, die liberale Demokratie und die Grundrechte täglich neu zu erwerben. Das wird mehr als ein Schaukampf sein. (j. n.)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 26.08.2019)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.