Lega-Chef Salvini entdeckt seine Liebe zum geschassten Koalitionspartner wieder

APA/AFP/TIZIANA FABI
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Die Partei von Innenminister Matteo Salvini will an der Macht bleiben und eine Koalition zwischen Sozialdemokraten und den Fünf Sternen verhindern. Sie bietet Luigi di Maio den Premierposten an.

Erst vor Kurzem hatte Italiens rechte Lega unter dem bisherigen Innenminister Matteo Salvini die Koalition mit der Fünf-Sterne-Bewegung platzen lassen. Nun will er das Regierungsbündnis wiederbeleben. Die Lega biete Fünf-Sterne-Chef Luigi Di Maio den Premierposten einer neuen Regierung aus Lega und Fünf Sternen an, berichteten italienische Medien.

Die Aussicht, dass Di Maio zum neuen Premier aufrücke, sei "eine Möglichkeit", sagte der amtierende Landwirtschaftsminister Gian Marco Centinaio, ein Vertrauensmann Salvinis, gegenüber einem Radiosender am Montag. "Unsere Parteien müssen mehr miteinander sprechen. Wenn diese Krise dazu beiträgt, unsere Beziehung zu verbessern und die Regierungsarbeit effizienter zu gestalten, kann dies nur positiv sein", so Centinaio.

Laut dem scheidenden Minister hat die Regierung aus Lega und Fünf-Sterne-Bewegung vor den EU-Parlamentswahlen gut gearbeitet und "beträchtliche Resultate" erreicht. Es sei undenkbar, dass die Sozialdemokraten, die seit den Parlamentswahlen 2018 alle letzten Wahlgänge verloren hätten, wieder an die Macht zurückkehrten, sagte Centinaio.

Sozialdemokraten und Fünf Sterne streiten um Premier

Die Lega will eine Koalition aus der sozialdemokratischen PD (Partito Democratico/Demokratische Partei) und der Fünf-Sterne-Bewegung verhindern, um nicht in der Opposition zu landen. Als Alternative zu einer neuen Regierung fordert sie Neuwahlen im Oktober.

Inzwischen verhandelt die Fünf-Sterne-Bewegung mit der PD weiter. Bis Dienstag haben die beiden Parteien für Gespräche zur Bildung einer Regierungsallianz Zeit, doch die Fronten sind verhärtet. Gestritten wird um die Person des Premiers. "Ich bin überzeugt, dass Italien eine politische Wende braucht", sagte PD-Chef Nicola Zingaretti im Gespräch mit Journalisten am Montag in Rom. Es müsse zu einer Umkehr sowohl im Programm als auch bei den künftigen Regierungsmitgliedern kommen.

Die Fünf-Sterne-Bewegung besteht darauf, dass der am Dienstag zurückgetretene Regierungschef Giuseppe Conte auch das neue Kabinett führt. Der parteilose Conte habe in den vergangenen 14 Monaten Regierung gut gearbeitet und internationales Ansehen errungen. Die Fünf-Sterne-Bewegung, stärkste Einzelpartei im Parlament, betonte, dass Conte als einzig möglicher Premier einer neuen Regierung mit den Sozialdemokraten infrage käme. Dagegen wehrt sich Zingaretti heftig.

Wie war es überhaupt zu der Regierungskrise gekommen?

Schon seit Anbeginn des Bündnisses im Juni 2018 gab es Meinungsverschiedenheiten und Streit, unter anderem über die Einführung eines Mindestlohns, Steuersenkungen oder die Autonomie für einige Regionen. Doch bisher schafften es die beiden Vizepremiers Matteo Salvini (Lega) und Luigi Di Maio (Fünf-Sterne-Bewegung), diese Konflikte nicht eskalieren zu lassen.

Anfang August aber kam es zu einem Showdown: Die Fünf-Sterne-Bewegung hat einen Antrag auf einen Stopp der geplanten Schnellzugtrasse zwischen Lyon und Turin gestellt – ein Projekt, das die Lega unter allen Umständen fortführen wollte. Der Antrag wurde abgelehnt: Die Senatoren der Lega stimmten zusammen mit der Opposition gegen den Regierungspartner.

Kurz darauf machte Salvini klar, dass er daher keine Zukunft mehr für das Bündnis sehe. Die Lega reichte ein Misstrauensvotum gegen den unabhängigen Premier Giuseppe Conte ein, der daraufhin zurücktrat. Salvini hatte hoch gepokert: Er ließ die Regierung auch deswegen platzen, weil er in Umfragen eine Neuwahl mit rund einem Drittel der Stimmen gewinnen würde. PD und Fünf Sterne wollen einen vorgezogenen Urnengang daher verhindern. Zusätzlich muss Rom eigentlich den Haushalt für das kommende Jahr zusammenstellen. Bis zum 15. Oktober muss der Entwurf in Brüssel eingereicht und von der EU-Kommission abgesegnet werden. Die Zeit, eine handlungsfähige Regierung zu bilden, drängt also.

(APA)

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