Hartmut Rosa: "Die Cola spricht nicht zu mir"

Hartmut Rosa liebt die Berge. In Alpbach sprach er u.a. darüber "Was denkt die Welt?"
Hartmut Rosa liebt die Berge. In Alpbach sprach er u.a. darüber "Was denkt die Welt?" Daniel Novotny
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Der deutsche Soziologe Hartmut Rosa hält Achtsamkeit für eine Einbahnstraße – und die jüngere Generation für resonanzfähiger als die ältere. Ein Gespräch über Gespräche mit den Bergen und das Internet als Versprechen.

Die Presse: Sie haben einmal gesagt: In den Bergen stehen wir anders als am Meer. Inwiefern ist unser Bezug zur Welt unterschiedlich?

Hartmut Rosa: Ich würde den Unterschied weniger zwischen Berg und Meer, sondern zwischen Berg und Supermarkt sehen. Im Supermarkt oder im Büro haben wir eine fast verschlossene Welthaltung. Wir müssen dieses oder jenes tun. Im Unterschied dazu gibt es in den Bergen eine fast leibliche Öffnung, man kann sich gar nicht der Wahrnehmung eines lebendigen, atmenden Gegenübers entziehen. Es öffnet sich also nicht nur nach innen, sondern auch nach außen etwas.  Die Stille der Berge ist ja kein Schweigen, sondern ein Raum, in dem wir hören können – auf uns und auf die Natur da draußen. Viele Menschen sagen: Erst wenn ich da oben bin, kann ich mich selbst wieder spüren.

Aber können wir das überhaupt noch? Wenn wir in den Bergen sind, holen wir das Handy raus und machen drei Fotos für Instagram.

Ja, es gibt eine Gefahr, dass wir diese Resonanzfähigkeit verlieren. Indem ich die Berge fotografiere, will ich sie erstens verfügbar machen, nach Hause tragen. Und zweitens führt schon der Gedanke an das Herausholen des Handys zu einer Verschließung.

Wie unterscheiden Sie Resonanzfähigkeit und Achtsamkeit? Sie gehören ja zur wachsenden Zahl der Kritiker der Achtsamkeitslehre.

Ich will sie nicht in Bausch und Bogen verdammen. Achtsamkeit ist aber etwas, dass ausschließlich im Subjekt liegt, Resonanz beschreibt eine Beziehung.

Achtsamkeit ist eine Einbahnstraße nach Innen?

Würde ich sagen. Deshalb halte ich Achtsamkeit auch für individualistisch verengt. Alles hängt nur von mir ab. Aber dass es im Alltag schwierig ist, liegt eben nicht nur an mir, sondern auch an den Gegebenheiten. Darüber hinaus leidet die Achtsamkeitsidee an einer universalistischen Überdehnung, denn du sollst allem und jedem – auch dieser Cola vor mir – achtsam gegenüber sein. Aber ich kann mit dieser Cola vor mir nicht in eine mit den Bergen vergleichbare Resonanz treten. Resonanz bedeutet, dass da etwas ist, was lebendig ist und mir etwas sagt.

Und das Cola ist tot.

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