Das Oberlandesgericht sieht im Fall einer tödlichen Kuh-Attacke in Tirol im Jahr 2014 nicht die volle Schuld beim Bauern. Der Landwirt und der Witwer des Opfers wollen Revision einbringen.
Das Oberlandesgericht Innsbruck (OLG) hat der Berufung des Landwirts gegen das erstinstanzliche Urteil nach einer tödlichen Kuh-Attacke im Tiroler Pinnistal im Jahr 2014 teilweise recht gegeben. Der Witwer als auch der Landwirt kündigten daraufhin an, beim Obersten Gerichtshof Revision einbringen zu wollen. Das OLG hatte entschieden, dass das Opfer zu 50 Prozent eine Mitschuld trage.
Der Anwalt des Witwers, Michael Hirm, sagte am Dienstag, dass das Urteil "ernüchternd" sei, wenn man die Fakten berücksichtige. Allerdings wurde der Sachverhalt festgestellt, womit es möglich sei, dass der OGH das erstinstanzliche Urteil wieder herstelle. Für seinen Mandanten sei das Urteil aber "kein Drama".
Für den beklagten Landwirt dagegen sei das Urteil eine "deutliche Besserung", wie dessen Anwalt Ewald Jenewein meinte. Dennoch bringe es eine "massive Rechtsunsicherheit für Landwirtschaft und Tourismus" mit sich. Denn das OLG habe den Standpunkt des Erstgerichts übernommen, wonach der Bauer aufgrund der "hohen Frequenz" am Wanderweg verpflichtet gewesen wäre, einen Zaun aufzustellen. Eine solche "hohe Frequenz" sei aber ein "untauglicher Begriff für Rechtssicherheit".
Ansprüche um 50 Prozent gekürzt
Der Vizepräsident des OLG, Wigbert Zimmermann, hatte am Dienstag bei einer Pressekonferenz erklärt, dass die grundsätzliche Haftung des Bauern zwar aufrecht bleibe. Dies bedeutet, dass dem Ehemann und dem Sohn der Verstorbenen die berechtigten Ansprüche um 50 Prozent gekürzt werden. Dem Witwer stehen somit rund 54.000 Euro und eine monatliche Rente von 600 Euro zu. Der Sohn bekommt rund 24.000 Euro sowie eine monatliche Rente in der Höhe von 180 Euro. Alle Prozessparteien können die Entscheidung des Oberlandesgerichts binnen vier Wochen mit einer sogenannten außerordentlichen Revision beim Obersten Gerichtshof (OGH) bekämpfen, sagte Andreas Stutter, Vizepräsident des Landesgerichts.
Das OLG habe eine Mitschuld der deutschen Urlauberin festgestellt, da von Hundehaltern verlangt werden kann, dass sie über die mit dem Halten von Hunden typischerweise ausgehenden Gefahren Bescheid wissen, sagte Zimmermann. "Die Touristin hätte wissen müssen, dass Mutterkühe eine Gefahr für Hunde darstellen", so der Vizepräsident des OLG.
Der Fall
Am 28. Juli 2014 war im Pinnistal, einem Seitental des Stubaitals, eine 45-jährige Deutsche, die mit ihren Hund unterwegs war, von Kühen plötzlich attackiert und zu Tode getrampelt worden. Nach einem jahrelangen Rechtsstreit zwischen den Hinterbliebenen und dem Landwirt erging im Februar das erstinstanzliche Urteil im Zivilprozess. Demnach musste der Bauer dem Witwer und dem Sohn rund 180.000 Euro sowie eine monatliche Rente an die beiden in der Höhe von insgesamt rund 1500 Euro zahlen. Der gesamte Streitwert des Prozesses lag bei rund 490.000 Euro. Die Staatsanwaltschaft hatte noch im Jahr 2014 die Ermittlungen gegen den Landwirt eingestellt.
Zudem habe die Verstorbene die vom Landwirt angebrachten Warnschilder nicht beachtet und auch an die Anweisung des Warnschilds auf Distanz zu bleiben hielt sich die Frau nicht. "Sie ging im Abstand von nur einem bis zwei Meter an den Kühen vorbei", betonte Zimmermann. Diese Vorgehensweise der Deutschen sei als Sorglosigkeit zu werten und begründe damit ein maßgebliches Mitverschulden.
Trotzdem blieb die grundsätzliche Haftung des Landwirts aufrecht, da dem Bauer bewusst gewesen sei, dass seine Mutterkühe sensibel und aggressiv auf Hunde reagieren. Zudem habe der Landwirt auch gewusst, dass seine Kühe in diesem Jahr besonders aggressiv gewesen seien, begründete Zimmermann das OLG Urteil.
Deshalb sei das bloße Aufstellen eines Warnschildes nicht ausreichend gewesen. Der Landwirt hätte den neuralgischen Teil des Weges auf einer Länge von rund 500 Metern entlang seiner Weidefläche abzäunen müssen. Eine derartige Einzäunung wäre dem Bauern zumutbar gewesen, hielt das Gericht fest.
Landesrat erleichtert
Tirols LHStv. und Agrarlandesrat Josef Geisler (ÖVP) äußerte sich über das nunmehrige Urteil erleichtert. "Das Ersturteil war ein Schock und hat zu Beginn der Almsaison zu einer massiven Verunsicherung in der Almwirtschaft geführt", meinte Geisler. Für den Präsidenten der Österreichischen Landwirtschaftskammer, Josef Moosbrugger, zeige die Entscheidung, wie wichtig und notwendig die dahingehende Gesetzesänderung gewesen sei. Das neue Gesetz sehe neben der klaren Verantwortung der Tierhalter auch eine stärkere Eigenverantwortung der Almbesucher vor. Tierhalter haben laut Moosbrugger nach der neuen Rechtslage mehr Rechtssicherheit, wenn sie bundesweite Standards einhalten.
(APA)