Warum Schuldenbremse keine so gute Idee ist

(c) Peter Kufner
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Vier gewichtige Gründe dafür, dass eine Schuldenbremse nicht in die Bundesverfassung geschrieben werden sollte.

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In Österreich wird diskutiert, ob eine Schuldenbremse in die Verfassung geschrieben werden soll. Dies wäre eine strengere Regelung, als die EU-Normen es vorschreiben – ein sogenanntes Gold Plating. Dabei ist es überraschend, dass ausgerechnet die Parteien, die sonst gegen ein Gold Plating von bestehenden EU-Regelungen auftreten – ÖVP, FPÖ, Neos –, dafür sind. Wirtschaftspolitisch gesehen ist dies aus folgenden Gründen keine gute Idee:

1. Der Staat kann nicht auf Konjunkturabschwung reagieren: Es war ein Problem des Stabilitäts- und Wachstumspaktes (SWP) der EU, dass er vom einstigen EU-Kommissionspräsidenten Romano Prodi als dumm bezeichnet wurde. Mittlerweile wurde der SWP reformiert, er berücksichtigt die Konjunkturentwicklung, sodass eine prozyklische Fiskalpolitik in den Abschwung hinein vermieden werden kann.

Unter Schwarz-Blau passierte 2001 mit Karl-Heinz Grassers Nulldefizit genau dies, wodurch das Wachstum in Österreich stärker einbrach als im Rest der EU. Es entstand ein Wachstumsrückstand gegenüber der restlichen EU. Der Wachstumseinbruch führte zu höheren Budgetdefiziten und Arbeitslosigkeit, sodass das Nulldefizit eine einmalige Erscheinung war. Insgesamt hatte Österreich in der Regierungszeit von Bundeskanzler Wolfgang Schüssel erstmals seit den 1970er-Jahren einen Wachstumsrückstand gegenüber dem Rest der EU.

2016 gelang es der SPÖ-ÖVP-Regierung durch eine expansive Fiskalpolitik – Anstieg des Defizits von einem auf 1,6 Prozent des BIP –, das Wachstum in Österreich, das bei etwa einem Prozent gelegen war, in Richtung drei Prozent zu bringen. Österreichs Wachstum wurde damit über den EU-Durchschnitt gehoben. Das Defizit sank schon 2017 wieder auf 0,7 Prozent des BIP. Österreich wuchs aus Defizit und Schulden heraus. Die türkis-blaue Regierung profitierte von diesem Wachstum und musste keine Konsolidierungsmaßnahmen setzen. Im Gegenteil, das um Struktureffekte bereinigte Defizit stieg 2018 sogar wieder an.

Ohne eine antizyklische Fiskalpolitik hätten wir nach 2008 eine große Depression wie in den 1930er-Jahren erlebt. International wird daher wieder stärker auf antizyklische Fiskalpolitik mit „deficit spending“ gesetzt. Dieses sollte allerdings tatsächlich antizyklisch und nicht wie jetzt in den USA prozyklisch eingesetzt werden.

2. Zukunftsinvestitionen werden behindert: In Deutschland gibt es schon seit Jahren eine Schuldenbremse mit Nulldefizit. Dies allerdings um den Preis, das die Infrastruktur nicht erneuert wurde, sondern nun zerbröselt. Vor allem Autobahnen und Bahn sind in einem schlechten Zustand. Österreich hat mehr in seine Verkehrsinfrastruktur investiert, hatte ein höheres Defizit, aber jetzt eine bessere Infrastruktur.

In Deutschland wurde eine Expertenkommission der Bundesregierung zur Infrastrukturfinanzierung eingerichtet. 2014 wurde ich eingeladen, das Asfinag-Modell zur außerbudgetären Finanzierung von Autobahnen vorzustellen. Es wurde besser als die in Deutschland praktizierten Public-private Partnerships bewertet. Die Kommission schlug es daher vor, Vizekanzler Sigmar Gabriel und Finanzminister Wolfgang Schäuble befürworteten es. Es wird derzeit umgesetzt. Die deutschen Experten waren insbesondere davon angetan, dass mit dem Asfinag-Modell auch Probleme mit der Schuldenbremse gelöst werden können.

Auch der Direktor des Kölner Instituts der deutschen Wirtschaft, Michael Hüther, kritisiert die Schuldenbremse. „In Zeiten niedriger Zinsen und eines großen Investitionsbedarfs nimmt sie der Politik den nötigen Spielraum.“ Da die Zinsen niedriger sind als das Wachstum, führt eine Schuldenaufnahme auch zu keiner intergenerationalen Umverteilung.

3. Budgetstruktur wird nicht berücksichtigt: Von Türkis-Blau wurde die Budgetstruktur verschlechtert. Die Mittel für Investitionen wurden gekürzt und die Transfers (Kindergeld) erhöht. So wurden die Mittel für den Bahnausbau gegenüber den vorher geplanten Ausbauplänen um etwa 1,8 Mrd. Euro gekürzt. Dies in Zeiten, in denen Österreich Probleme mit dem CO2-Ausstoß im Verkehr hat und eigentlich die Bahn fördern sollte.

Die Transfers wurden mit dem Kindergeld um etwa 1,5 Mrd. Euro jährlich erhöht. Die Kürzung bei den Investitionen führt, da sie einen höheren Fiskalmultiplikator haben als die Transfers, zu einem geringeren Wachstum. Das Kindergeld wurde außerdem so gestaltet, dass die Mitnahmeeffekte groß sind, die Mittel oft gespart und nicht konsumiert werden. Dies schwächt das Wachstum maximal. Ein sinnvolles Gegensteuern gegen den internationalen Konjunkturabschwung wäre besser über Investitionen in Kinderbetreuungseinrichtungen erfolgt.

4. Potenzielle Budgetbelastungen werden nicht berücksichtigt: In den letzten Jahrzehnten waren Finanz- und Bankenkrisen desaströs für die Budgets der betroffenen Länder. Sie führten zu gewaltigen Anstiegen des Defizits und der Schulden – in Österreich dazu als Stichwort Hype Alpe Adria.

Unter Schwarz-Blau I wurden ab 2000 gewaltige Ungleichgewichte aufgebaut – Exposure der österreichischen Banken in Osteuropa in der Größenordnung von 100 Prozent der österreichischen Wirtschaftsleistung, den höchsten Bestand an Fremdwährungskrediten in der EU, Reserven der Notenbank – acht Milliarden Euro – für Budgetkosmetik ausgeräumt, die dann in der Krise fehlten.

Ich habe bereits 2003 vor der neoliberalen Politik der Regierung, die zu Finanzkrisen führen würde, gewarnt: „Die Frage ist nicht, ob, sondern wann die nächste Krise, der nächste Crash kommt und wie wir darauf vorbereitet sind.“

Österreich war daher von der Finanzkrise ab 2008 stark betroffen. 2009 war Österreich in einer ähnlich kritischen Lage wie Griechenland, die Versicherungsprämien für eine Staatspleite Österreichs (CDS-Spreads) lagen auf griechischem Niveau. Die Märkte schätzten eine Pleite Österreichs als ebenso wahrscheinlich ein wie eine Pleite Griechenlands. Österreich wurde damals durch die Hilfen der EU und des IWF sowie das entschlossene staatliche Handeln der SPÖ-ÖVP-Regierung gerettet.

Mit dem Versagen von Türkis-Blau in der Klimapolitik droht wieder ein Desaster mit hohen Kosten für das Budget. Die frühere Umweltministerin Elisabeth Köstinger hat bereits zugegeben, dass wegen Nichterfüllung der Klimaziele CO2-Zertifikate um bis zu 6,6 Mrd. Euro erworben werden müssen; andere Schätzungen gehen von bis zu neun Milliarden Euro Schaden aus. Das Climate Change Centre Austria (CCCA) rechnet sogar mit einem Gesamtschaden von 30 bis 40 Mrd. Euro für das Budget. Das sind zumindest Budgetbelastungen wie einst durch die Pleite der Hypo Alpe Adria.

Es sind dringend konkrete Maßnahmen zu Verringerung der CO2-Emissionen zu setzen, um diesen Schaden zu vermeiden. Allgemeines Blabla wie „Chefsache Klimapolitik“ oder „Fokus auf Wasserstoffautos“ helfen da nicht.

E-Mails an:debatte@diepresse.com

DER AUTOR

Mag. Franz Nauschnigg ist seit 2000 Leiter der Abteilung für Integrationsangelegenheiten und Internationale Finanzorganisationen der Oesterreichischen Nationalbank (OeNB). Er ist Mitglied in internationalen Gremien, z. B. der Gruppe der EZB-Ratskoordinatoren, dem International Relations Committee des Eurosystems/ESZB. Publikationen zu europäischer Integration, Währungspolitik, Kapitalverkehr, Finanzkrise.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.08.2019)

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