Der holzschnittartige Populist, der auf dem kürzeren Ast sitzt

Brasiliens Präsident Bolsonaro sträubt sich gegen Hilfe, um die Brände am Amazonas zu löschen. Die EU sollte ihn in die Mangel nehmen.

Die Replik aus Brasilia ließ nicht lang auf sich warten. In großmächtigem Gestus wischte Jair Bolsonaro die Soforthilfe von 20 Millionen Dollar aus dem Kreis der G7 in Biarritz für den Kampf gegen die Feuersbrunst am Amazonas als neokoloniale Attitüde beiseite. Stattdessen ließ Brasiliens Präsident Emmanuel Macron, Angela Merkel und Co. ausrichten, die Wälder in Europa aufzuforsten und, in Anspielung auf Notre-Dame, besser auf die Kathedralen achtzugeben. Alles andere wäre eine Überraschung gewesen in einer von Polemik geprägten Debatte.

Angesichts der um sich greifenden Brände in Amazonien, der „grünen Lunge“ der Welt, hatte Frankreichs Präsident mit moralischem Impetus Alarm geschlagen: „Unser Haus steht in Flammen.“ Macron setzte das Thema auf die Agenda des G7-Gipfels und übte sich in umweltpolitischem Aktionismus. Er wollte ein Signal setzen, doch die Zusage von 20 Millionen Dollar nahm sich recht kümmerlich aus.

Bolsonaro hatte die Atmosphäre vergiftet. Demonstrativ versetzte er erst den französischen Außenminister im Präsidentenpalast wegen eines Friseurtermins, dann ließ er seinen Bildungsminister und seinen Sohn Eduardo – intern „Nulldrei“ genannt – los, um Macron als „opportunistischen Schwachkopf“ und „Idioten“ zu denunzieren. Und schließlich würdigte er via soziale Medien Brigitte Macron, die Première Dame, in sexistischer Manier herab, indem er ein Facebook-Posting verbreitete. Der Machopolitiker provozierte Macron zur Gegenattacke. So rasch ist im Zeitalter der Globalisierung ein politisches Feuer zwischen Staaten und insbesondere zwischen Staatsmännern gelegt.

Dabei hätte Brasiliens irrlichternder Präsident, seit acht Monaten im Amt und durch Derbheiten, Kontroversen mit Minderheiten und die Glorifizierung der Militärjunta auffällig geworden, alle Hände voll zu tun, das Inferno im Regenwald zu löschen. Es brennt in Brasilien wie nie zuvor – und in den Amazonas-Anrainerstaaten Kolumbien, Peru, Bolivien und Paraguay. Die Waldbrände, angeheizt durch Dürre und vorsätzliche Brandrodungen, haben ein historisches Ausmaß angenommen, und die Welt schreit auf. Denn der Amazonas geht die ganze Welt an.

Jair Bolsonaro hat spät reagiert, womöglich zu spät. Der frühere Fallschirmjäger, der sich mit Ex-Generälen umgibt, ordnete den Einsatz von 44.000 Soldaten in Amazonien an. Im Wahlkampf hatte der langjährige Hinterbänkler indes darüber schwadroniert, die Umweltauflagen zu streichen und den Einfluss der NGOs zu beschneiden. Die Erschließung des Amazonas war seit jeher das Ziel der Militärs, und die Rinderbarone, Sojafarmer und Goldgräber fühlten sich durch die Signale bestärkt – zumal Bolsonaro ursprünglich sogar ganz auf einen Umweltminister verzichten wollte. Wenn er jetzt den Brandstiftern, die sich angeblich zu einem „Tag des Feuers“ verabredet haben, „null Toleranz“ androht, zeugt das eher von der Ohnmacht eines nur vermeintlich starken Mannes angesichts der einflussreichen Agrarlobby.


Brasiliens Präsident schlägt sich mit einer Vielzahl von Problemen herum: mit einem desaströsen Budgetdefizit und einer überfälligen Rentenreform, mit Nepotismus und Korruption im Dunstkreis seiner drei Söhne, einer von Hetzkampagnen geschürten Polarisierung der Gesellschaft. Ohne durchschlagkräftige Mehrheit im Parlament und unter dem Einfluss eines rechtsnationalen Gurus und Privatgelehrten im US-Exil wirkt der 64-Jährige – „geboren zum Militär und nicht zum Präsidenten“ – heillos überfordert und wie eine Marionette. In einem Interview aus dem Gefängnis noch vor der Feuersbrunst konstatierte Lula: „Bolsonaro gleicht Nero: Er setzt das ganze Land in Brand.“

Macron und die Europäer haben allerdings einen Hebel in der Hand: Die Verweigerung der Ratifizierung des EU-Abkommens mit den lateinamerikanischen Mercosur-Staaten würde Brasiliens Agrarsektor hart treffen und Bolsonaros Sturzflug weiter beschleunigen. So müsste man ihn zwingen, die Abholzung am Amazonas mit drakonischen Maßnahmen einzudämmen und den Klimawandel zu bremsen. Der holzschnittartige Populist könnte dann schneller umknicken als eine angekokelte Palme.

E-Mails an:thomas.vieregge@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.08.2019)

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