Stadler: „Mich erträgt man hier im BZÖ“

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Stadler bdquoMich ertraegt hier(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Der künftige EU-Mandatar über seinen Liberalismus-Begriff, Straches Fotos und „Wendehals“ Mölzer. Stadler war Klubchef der Haider-FPÖ, später Volksanwalt. 2007 trat er aus der FPÖ aus und 2008 dem BZÖ bei.

„Die Presse“: Wie liberal ist Ewald Stadler?

Ewald Stadler: Ich finde, dass wir es heute mit einem Liberalismus-Begriff in einer radikal libertären Ausdeutung zu tun haben. Dieser gesellschaftspolitische Liberalismus à la Heide Schmidt war nie der meine, ich halte ihn für eine geistige Immunschwächekrankheit. Wenn man aber den klassischen Liberalismus-Begriff des 19.Jahrhunderts heranzieht, war der Ewald Stadler immer ein Liberaler.Der Rechtsliberalismus, wie er nun auch vom BZÖ vertreten wird, orientiert sich ja am klassischen Liberalismus. Der Wirtschaftsliberale versucht, so wenig wie möglich Staat im Wirtschaftsleben zu haben. Das trifft auf meine ganze Familienbiografie zu. Die Leute im Bregenzer Wald haben früher nie einen Staat gesehen. Sie haben alles selbst organisiert, sich selbst geholfen und daher kaum einen Staat gebraucht. Heute haben wir eine derartige Ausweitung der Staatsquote, dass daraus ein neuer Kollektivismus entstanden ist. Der Staat hat sich viel zu tief hineinbegeben in die Daseinsvorsorge, in die Reglementierung. Es ist eine Staatsquote entstanden, die man nicht mehr finanzieren kann. Unter dem Diktat der leeren Kassen wird sich der Staat allerdings sowieso zurücknehmen müssen.

Sie gelten als ultrakatholisch. Auch nicht gerade ein Wesensmerkmal des Liberalismus, der traditionell eher antiklerikal ist.

Stadler: Das war der klassische Liberalismus des 19.Jahrhunderts. Weil die Kirche damals auch in einem Bündnis mit der Monarchie gestanden ist. Das ist heute überholt.

Aber der Liberalismus wurzelt auch in der Aufklärung...

Stadler: Da muss man aufpassen. Der Liberalismus der Aufklärung hat weit übers Ziel geschossen. Die Apologeten der Aufklärung übersehen, dass die Leute schon vorher aufgeklärt waren. Die haben nicht erst die Französische Revolution gebraucht, um zu erkennen, wieso sie auf der Welt sind. Und ein Katholik braucht das erst recht nicht.

Sie gehen im Herbst als EU-Abgeordneter nach Brüssel?

Stadler: Im September. Zuerst mit Beobachterstatus. Dann wird die EU zu klären haben, ab wann die nachrückenden Abgeordneten das Stimmrecht bekommen – das könnte auch bis zum Kroatien-Beitritt dauern.

Sie könnten in Brüssel wieder mit Ihrem Sager konfrontiert werden, Österreich sei nach 1945 nur „angeblich“ befreit worden.

Stadler: Das interessiert außer ein paar Leuten, die glauben, daraus politisches Kapital schlagen zu können, niemanden mehr.

Sie haben bei dieser Gelegenheit auch noch gemeint, „dass wir unseren Volkserhalt durch gesunde, starke und kinderreiche Familien selbst organisieren und es nicht durch Zuwanderungsexperimente anderen Völkern überlassen, unser Volk zu erhalten“.

Stadler: Also, bitte: Die Frage der Zukunft wird von der Geburtenrate abhängen. Familienpolitik ist daher ein Hauptkapitel im BZÖ-Programm. Es ist ein völliger Irrtum zu glauben, dass man die fehlenden Geburtenraten durch Zuwanderung ersetzen kann.

Haben Sie Barbara Rosenkranz gewählt?

Stadler: Nein, ich habe Gehring gewählt.

Gegen Sie wird wegen versuchter schwerer Nötigung ermittelt. FPÖ-Chef Strache wirft Ihnen vor, dass Sie ihn, unter Androhung der Veröffentlichung von dessen Jugendfotos in der Neonazi-Szene, zu nötigen versuchten, die Freiheitliche Akademie, die Sie damals leiteten, für förderungswürdig zu erklären.

Stadler: Eine Lachnummer. Das basiert auf einer anonymen Anzeige. Strache selbst hat mich nie angezeigt – wohlweislich. Die verpixelten Fotos hat er ja selbst an die Medien, an den ORF, weitergegeben.

Was ist im BZÖ besser als in der FPÖ?

Stadler: Der zivilisierte Umgang. Die FPÖ hat sich unter Strache völlig verengt. Sie ist eine weltanschaulich bornierte Partei geworden. Jörg Haider hat meine Katholizität immer zugelassen. Das BZÖ ist auch heute betont wertorientiert. Und die wirtschaftsliberalen Positionen, die wir haben, hat Haider auch immer gehabt. Persönlichkeiten meines Zuschnitts hat man in der FPÖ nicht mehr gewollt und nicht mehr ertragen. Das ist der Unterschied zum BZÖ: Mich erträgt man hier. Und man lässt mich gewähren.

Werden Sie dann in Brüssel dennoch auf ein Bier mit Andreas Mölzer gehen?

Stadler: Das wird sich weisen. Von Mölzer halte ich charakterlich nicht sehr viel. Ich habe da meine persönlichen Erfahrungen gemacht. Er ist ein ziemlicher Wendehals.

ZUR PERSON

Ewald Stadler, geboren am 21.5.1961 in Mäder (Vorarlberg), war in Vorarlberg und Niederösterreich (als Landesrat) politisch tätig. Er war Klubchef der Haider-FPÖ im Parlament, später Volksanwalt. 2007 trat er aus der FPÖ aus und 2008 dem BZÖ bei. Seither ist er BZÖ-Nationalratsabgeordneter. Im September 2010 übernimmt der Jurist das einzige BZÖ-Mandat im EU-Parlament – der Lissabon-Vertrag macht es möglich.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.05.2010)

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