Der Kampf um den Anzugträger mit den 15-Euro-Sneaker

15-Euro-Sneaker zum 500-Euro-Anzug getragen stellen keine Seltenheit mehr dar.
15-Euro-Sneaker zum 500-Euro-Anzug getragen stellen keine Seltenheit mehr dar. imago images / PhotoAlto
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Die sinkende Markentreue der Österreicher stellt die Händler vor große Herausforderungen. Die Konsumenten werden immer unberechenbarer.

Wien. Der Wandel im österreichischen Handel geht rapide voran. Dabei ist die Geschwindigkeit, mit der dieser Wechsel abläuft, die massivste Veränderung. Am stärksten davon betroffen ist die Modebranche mit Bekleidungs- und Schuhhandel. Die Zahl der Einzelhandelsgeschäfte ist in Österreich in den vergangenen zehn Jahren um 20 Prozent gesunken, viele Modegeschäfte waren vom stetigen Aderlass betroffen. Einen Hauptanteil dazu hat die Digitale Revolution beigetragen. Schon 2021 wird in Österreich knapp ein Fünftel der Bekleidung und ein Viertel aller Schuhe online gekauft werden, prognostizieren die Berater von Advicum. Laut ihrem aktuellen „Retail-Report“ steht das Omni-Channel-Zeitalter, in dem es zu einer vollständigen nahtlosen Vernetzung aller Einkaufskanäle kommt, direkt vor der Tür.

Zudem werden die Konsumenten immer unberechenbarer, ihr Verhalten werde immer wechselhafter und preissensibler, erklärt Andreas Kornberger, Associate Partner bei Advicum. Er beschreibt Marken- und Händlertreue als Phänomene aus vergangenen glorreichen Einzelhandelszeiten. Die Konsumenten, die von ihrem verfügbaren Einkommen etwa 1250 Euro pro Jahr in neue Kleider, Hosen, Pullis und Schuhe investieren, werden immer hybrider. 15-Euro-Sneaker zum 500-Euro-Anzug getragen stellen keine Seltenheit mehr dar. Der Kunde lasse sich nicht mehr klassisch einer einzigen Zielgruppe zuordnen. Laut einer Imas-Studie ist mittlerweile die Markentreue der Österreicher bei alkoholischen Getränken und Tiefkühlprodukten höher als bei Bekleidung und Schuhen.

Bevölkerung wächst

Es gibt aber auch eine gute Nachricht für die Händler. Die österreichische Bevölkerung wächst, was einen potenziell größeren Absatzmarkt bedeutet. Wertmäßig sollen laut Statista die jährlichen Umsätze für Bekleidung um durchschnittlich 1,7 Prozent zulegen, für Schuhe um 1,3 Prozent. Den größten Teil davon werden jene Unternehmen ergattern, die schnell auf die veränderten Bedingungen reagieren, unabhängig davon ob off- oder online. Das habe auch nichts mit der Unternehmensgröße zu tun, weiß Kornberger, auch wenn Konzerne oft mit schwer manövrierbaren Tankern verglichen werden.

Auf Veränderungen müssen sich die großen Einkaufsmeilen einstellen. Die Fluktuation auf der Mariahilfer Straße lag von 2016 bis 2018 bei 25 Prozent. Die Passantenfrequenzen in den Stadtkernen und innerstädtischen Handelszonen würden laut RegioPlan um etwa vier bis sechs Prozent pro Jahr sinken. Dieser Prozess könnte sich aufgrund von Techniktreibern wie Virtual und Augmented Reality weiter beschleunigen, wenn bebrillte Kunden demnächst bequem von der Wohnzimmercouch aus durch den Supermarkt shoppen werden. (herbas)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 29.08.2019)

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