Maßlose Zerstörung im Zentrum der Metropole. Die Ursachen für den Konflikt sind hoch komplex. Eine große Rolle spielt die Schere zwischen Arm und Reich.
Bangkok. Der Geruch von verbranntem Plastik weist den Weg in Bangkoks Innenstadt. An der Petchaburi-Straße, die am einstigen Camp der Rothemden-Demonstranten vorbeiführt, zeugen Barrikaden von den schweren Zusammenstößen der Vortage.
Es ist die Ruhe nach dem Sturm. Die Soldaten haben ihre Sandsackbarrieren verlassen, von denen aus sie in Richtung der Hauptverkehrsstraße feuerten. Die Demonstranten haben sich ebenfalls von ihren Barrikaden aus Autoreifen und Bambus zurückgezogen. Diese werden jetzt von jungen Soldaten bewacht. Sie tragen dicke, schusssichere Westen und halten ihre Schnellfeuergewehre fest umklammert. In der Ferne pfeift ein Feueralarm.
Die Szenerie an der Rajaprasong-Kreuzung, wo die Hauptbühne der Demonstranten stand, ist apokalyptisch: Immer noch dringt weißer Rauch aus dem abgebrannten Gerippe von Südostasiens zweitgrößtem Einkaufstempel. Der Großteil des Gebäudes steht noch, die Scheiben sind aber von innen rußgeschwärzt. Der südliche Flügel ist teilweise eingestürzt, nur ein zwei Meter großer, goldfarbener Buddhakopf steht unbeschädigt vor der Ruine.
Bangkok in Flammen
Keine Freude über den Sieg
Beklemmende Stille hängt über dem Platz, auf dem bis Mittwoch täglich tausende Rothemden den Reden ihrer Anführer zugehört und bis in die Nacht zu Volksliedern getanzt haben. Die Soldaten schauen ungläubig auf die maßlose Zerstörung. Viele schießen mit ihren Handys Fotos. Freude über den Sieg kommt nicht auf. Stattdessen lässt das Entsetzen auf ihren Gesichtern ahnen, wie schwierig – wenn nicht unmöglich – es werden dürfte, den dünnen gesellschaftlichen Lack, der Thailand bis vor Kurzem zusammenhielt, zu erneuern.
Die Wut der Demonstranten, die sich nach dem Einmarsch der Armee Bahn gebrochen hat, ist zum Teil durch die hohe Zahl von Toten in den Tagen zuvor zu erklären. Etwa drei Dutzend Zivilisten wurden erschossen, als die Demonstranten die Armee hindern wollten, sie in ihrem Lager einzukreisen.
Fragen und Antworten
Verachtung für die Armen
Die Ursachen für den Konflikt sind jedoch hoch komplex. Eine große Rolle spielt die Schere zwischen Arm und Reich. In Thailand herrscht eine der größten Einkommensdisparitäten der Welt. Nahezu der gesamte Wohlstand hat sich seit dem Wirtschaftsboom der 80er-Jahre auf Bangkok konzentriert.
Doch auf dem Land, wo zwei Drittel aller Thais leben, ist davon wenig angekommen. Die Hälfte der Menschen gilt als arm. Während Bangkoks Oberschicht ihren Reichtum zur Schau stellt und vor massiven Konsumexzessen nicht zurückschreckt, müssen sich zig Millionen Land-Thais von Tag zu Tag durchschlagen. Bangkoks Elite interessiert sich für das Los dieser Menschen nicht nur wenig – sie zeigt sogar überdeutlich ihre Verachtung für ländliche Thais, die sie für ungebildet und rückständig hält.
Hintergrund
Die protestierenden Rothemden sind Anhänger des 2006 gestürzten Ministerpräsidenten Thaksin Shinawatra. Sie werden angeführt von der Vereinigten Front für Demokratie gegen Diktatur (UDD), die ihre Anhänger vor allem unter der ärmeren Landbevölkerung hat.
Sie halten die derzeitige Regierung für illegal, da diese nicht gewählt, sondern vom Militär in einem "stillen Staatsstreich" im Dezember 2008 eingesetzt worden sei. Nach der Auflösung der Thaksin-nahen Regierungspartei durch ein Verfassungsgericht bestimmte das Parlament Abhisit Vejjajiva zum Premier.
Als Abhisit einen Wahltermin für den 14. November in Aussicht stellte, schien eine Einigung in Reichweite - die aber scheiterte, weil die Rothemden verlangten, dass Vizepremier Suthep Thaugsuban wegen der Zusammenstöße vom 10. April angeklagt werde.
Thailands Ex-Premier Thaksin Shinawatra besitzt viele Pässe: darunter den seiner Wahlheimat Montenegro. Von seiner Einbürgerung erhoffte sich Montenegros Regierung Investitionen.
Zu den von der Opposition geforderten Neuwahlen äußert sich Ministerpräsident Abhisit nicht. Die Proteste haben katastrophale Folgen für die thailändische Wirtschaft.
Andreas Valla lebt seit drei Monaten im Norden Thailands. Am Freitag muss der gebürtige Wiener nach Bangkok. Touristen würde er im Moment davon abraten.
Gespannte Ruhe in Bangkok. Die Regierung verlängert die Ausgangssperre. Im Protestviertel hat die Armee noch immer nicht die volle Kontrolle. Die Regierung stellt Neuwahlen in Aussicht.
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