Während die Autobauer mit rückläufigen Absatzzahlen kämpfen, lassen die motorisierten Zweiräder Staus und Autos links liegen.
Der Autoabsatz in Europa ist rückläufig. Gleichzeitig sorgen Staus, sinkende Einkommen und ein neu erwachtes Interesse an elektrischer und urbaner Mobilität für steigende Verkaufszahlen motorisierter Zweiräder. Während Neuzulassungen von PKW in der Europäischen Union nach Angaben des Branchenverbandes ACEA in den ersten sechs Monaten dieses Jahr um 3,1 Prozent rückläufig waren, liegen Motorräder laut ACEM um 9,1 Prozent im Plus.
“Motorisierte Zweiräder erleben ein Comeback im urbanen Bereich,” so Stefan Pierer, Vorstandschef von KTM Industries AG, Europas größter Motorradbauer. “Das betrifft genauso Roller und e-Bikes und bei Motorrädern eher kleinere und mittlere Hubräume für den Weg zur Arbeit. Wir sehen das quer durch Europa.” Neben verstopften Straßen und einer Generation, die weniger Wert auf den Besitz von Autos lege, seien auch sinkende Einkommen in der Mittelschicht ein Grund für den Trend, so Pierer.
Zweiräder immer mehr auch Transportmittel
Hersteller Piaggio & C. SpA aus Italien, der Vespa, Moto Guzzi und Aprilia unter seinem Dach vereint, hatte fürs erste Halbjahr einen Anstieg bei Zweiradverkäufen von 5,9 Prozent gemeldet. BMW AG hatte für die sieben Monate bis einschließlich Juli sogar 7,3 Prozent Plus ausgewiesen, verglichen mit 0,9 Prozent Zuwachs bei seinen Autos.
In Europa werden derzeit fünfzehnmal so viele PKW neu zugelassen wie Motorräder. In der EU waren es über 15,1 Mio. Autos, verglichen mit gut einer Million Motorrädern letztes Jahr. Nun würden Zweiräder wieder vermehrt als Transportmittel gesehen und nicht nur für Sport und Freizeit, so Pierer. Fahrradkuriere erleben nicht zuletzt deshalb auch einen Boom.
Ein großer Teil der Dynamik kommt von elektrischen Modellen. Verkäufe entsprechender Motorräder und Roller sprangen im ersten Halbjahr um 77 Prozent an auf etwa 34,000. “Unterschätzen Sie Motorräder nicht,” sagte BMW Vorstandschef Harald Krüger am 1. August vor Analysten. “Auch mit einem elektrischen Auto kann man in Städten wie Paris oder Rom im Stau feststecken und nicht vorwärts kommen. Elektrische Motorräder sind wichtig für uns.”
KTM schafft neue Plattform für E-Motorräder
KTM Industries, an der Vorstandschef Pierer 63 Prozent der Anteile hält und sich in Pierer Mobility AG umbenennen will, gab im Juni die Entwicklung einer neuen Plattform für elektrische Motorräder im Niedervoltbereich zusammen mit Partner Bajaj Auto Ltd bekannt. Erste Modelle sollen Ende 2021 auf den Markt kommen und in Indien, gebaut werden, wo Herstellungskosten günstiger sind. Pierer sagte, er will auch andere Hersteller aus Europa einladen, sich dem Projekt anzuschließen, um Kosten zu sparen, etwa Piaggio und Ducati, eine Tochter der Volkswagen AG.
KTM setzt außerdem auf elektrische Fahrräder, vor allem mit seiner Zweitmarke Husqvarna. Bis zu 65.000 Stück sollen dieses Jahr verkauft werden und an die 100,000 könnten es bis 2021 sein, wenn Australien und die USA als Absatzmärkte hinzukommen.
Mit den Eigentümern der KTM Fahrrad GmbH, seit dem Konkurs des Unternehmens 1992 rechtlich von den Motorradaktivitäten getrennt, habe es jüngst keine Gespräche gegeben bezüglich einer möglichen Wiedervereinigung, so der Manager. “Im urbanen Bereich sind ja nicht alle verkauften Fahrräder elektrisch,” so Pierer. “Aber bei Mountainbikes, im Gelände, da geht es in Richtung zwei Drittel und ein elektrisches, gut gemachtes e-Mountainbike ist vom Handling und Fahrgefühl her wie eine kleine Enduro. Das ist eine ideale Ergänzung zu unserem Offroad-Sortiment.”
(Bloomberg/red.)