"Wer viel jammert, kriegt keinen Besuch"

Carolina Frank
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Durch das penetrante Reden über das Wetter wird aus einer dreitägigen Hitzewelle eine dreiwöchige.

Im neuesten Plauderfernsehen von Sandra Maischberger zitierte der bayrische Ministerpräsident Söder seine Tante: „Wer viel jammert, kriegt keinen Besuch.“ Das hat mir zu denken gegeben. Ich habe in letzter Zeit deutlich weniger Besuch bekommen. Beste Freundinnen verabreden sich mit den Worten „schauen wir einmal“. Oder sagen zu und dann in letzter Sekunde ab. Also rufe ich die allerbeste Freundin an und frage streng: „Jammere ich?“ „Nein! Wie kommst du darauf?“

Vor dem „Nein“ war eine Schweigezehntelsekunde zu viel. Diese Atomsekunde hat sich wie eine vollständige Schweigesekunde cum tempore angefühlt und hieß so viel wie: Na ja, du redest schon penetrant von der Hitzewelle. Nämlich schon eine Woche vor der Hitzewelle. Und noch eine Woche danach. So wird aus einer dreitägigen Hitzewelle eine dreiwöchige, schallt es aus der Schweigesekunde, die sich wie eine ganze Schweigeminute anfühlt, heraus.

Kaum ist die Hitzewelle vorbei, herbstelt es dir zu viel. Das macht dich melancholisch! Du vermisst die Sonne! Nach dem Herbsteln wird schon wieder die nächste Altweiberhitzewelle mit viel heißer Luft ­bejammert, verkündet die quälende Schweigestunde urbi et orbi. Deine Hitzewellen bestehen manchmal aus einem heißen Tag, der auch noch falsch vorhergesagt wurde. Aufs Fliegen verzichten, um die Hitzewelle zu bekämpfen, kannst du nicht, so der bleierne Vorwurf der dreitägigen Schweigeexerzitien. Du musst ja flüchten vor der Hitzewelle. Außerdem verkühlst du dich im Zug wegen der Klimaanlage. Ich lege empört auf. Alles lass ich mir auch nicht sagen. Ich wandere aus. Nach Bayern. Ich will dort wahlberechtigt sein. Nur, um diesen Söder nicht zu wählen. Mit seiner penetranten Tante.

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