Wer zieht in die Regierung Conte II ein? Die Frage beschäftigt Italien übers Wochenende, während der Premier seine Konsultationen führt. Per Onlinevotum könnte die Basis der Fünf Sterne indes die Koalition noch zu Fall bringen.
Wien/Rom. In Rom steht eine neue Regierung, die 66. der Nachkriegszeit, ante portas. Und längst hat das notorische „Minister-Toto“ eingesetzt – das medial geschürte Rätselraten darüber, wer dem zweiten Kabinett des Giuseppe Conte angehören wird. Wer wird die Schlüsselministerien übernehmen, und wie ist die Aufteilung zwischen der Fünf-Sterne-Bewegung und den Sozialdemokraten (Partito Democratico, PD)? Fällt für die Fünf Sterne doch noch ein Vizepremier ab?
Und nicht zuletzt: Kehrt Ex-Premier Matteo Renzi, der die Volte der Opposition zu einer Koalition eingeleitet hat, auf die Regierungsbank zurück? Oder zieht er lieber aus dem Senat via „Rienzini“, seine Parteigänger in der PD, die Fäden?
Mit Hochdruck führt Conte, der alte und wohl auch neue Ministerpräsident, kürzlich noch als „Signor Si“ und „Professore“ aus der Provinz verhöhnt, übers Wochenende seine Konsultationen für eine Kabinettsliste. Mitte kommender Woche soll er sie plangemäß bei seiner nächsten Audienz auf dem Quirinal bei Präsident Sergio Mattarella präsentieren.
Nur Mattarella ist zurzeit populärer als Conte. In den Umfragen hat sich das Meinungsbild zum Ende der Regierungskrise allerdings nur wenig verändert. Matteo Salvini und seine Lega, die die Krise just zum Höhepunkt der Sommerferien heraufbeschworen hatten, erlitten zwar einen Dämpfer, liegen laut „La Stampa“ mit 32 Prozent aber weiterhin komfortabel in Führung. Die Sozialdemokraten legen leicht zu auf 23 Prozent, während die Fünf Sterne bei 17 Prozent stagnieren. Demnach spricht sich eine Mehrheit der Italiener gegen eine Koalition der Linksparteien aus.
An Losungen und Versprechen des neuen Bündnisses fehlt es nicht. Allseits ist nun die Rede von Steuersenkungen und einer Vermeidung der Erhöhung der Mehrwertsteuer; von einem „Regierungsprogramm der Wende“, wie dies PD-Chef Nicola Zingaretti postuliert. Ein zentraler Punkt ist die Abkehr der rigorosen Migrationspolitik des bisherigen Innenministers Salvini, der bereits gegen die „Regierung der Sesselkleber“ mobil macht und für eine Großkundgebung im Oktober trommelt. Auch Silvio Berlusconi, Chef der Forza Italia und Salvinis neuer Wunschpartner, schwört seine Partei auf eine harte Opposition ein.
Grillos Daumen geht nach oben
Ob die Regierung zustande kommt, hängt freilich nicht allein von Mattarella, Conte und den Parteichefs Zingaretti und Luigi Di Maio ab, sondern auch von einem zwingenden Onlinevotum der Fünf-Sterne-Mitglieder. Noch steht der Zeitpunkt für die Urabstimmung in den Sternen. Vielen an der Basis der Protestbewegung – darunter Davide Casaleggio, dem Sohn des Mitgründers – gelten die Sozialdemokraten als korrupt und als Inkarnation des Establishments. Verfechter und Skeptiker einer Koalition halten sich einer Umfrage zufolge die Waage. Den Ausschlag könnte Komiker Beppe Grillo geben. Die Galionsfigur der Cinque Stelle ließ klare Sympathien für eine Allianz mit der PD erkennen.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 31.08.2019)