Feminismus à la Hollywood

Katherine (Emma Thompson) im Kreis ihrer Mitarbeiter. Anfangs kennt sie nicht einmal deren Namen – jeder bekommt von ihr eine Ziffer zugewiesen.
Katherine (Emma Thompson) im Kreis ihrer Mitarbeiter. Anfangs kennt sie nicht einmal deren Namen – jeder bekommt von ihr eine Ziffer zugewiesen.(c) eOne Germany
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„Late Night“ mit Emma Thompson zeigt eine Frau, die sich im Männerbusiness behauptet. Indem sie ihre unterdrückte weibliche Seite entdeckt.

Gleich zu Beginn des Films, als man noch nicht genau weiß, wohin die Reise geht, feuert Late-Night-Talkerin Katherine Newbury einen ihrer Gag-Schreiber. Er hat über Jahre hinweg für sie gearbeitet, jetzt will er erstmals eine Gehaltserhöhung, er habe schließlich Frau und Kinder! Woraufhin Katherine ihm erklärt, dass sie ihm diesen Wunsch aus feministischen Gründen abschlagen müsse. Ihm mehr Geld zu geben hieße, ein traditionelles Familienmodell zu unterstützen und Frauen ohne Kinder zu benachteiligen. Ziemlich eloquent legt sie ihre Sicht der Dinge da, wobei man den Verdacht nicht loswird, dass sie einfach nicht mehr zahlen will. Doch der Schreiber hat noch einen letzten Trumpf in der Hand (nicht, dass dieser ihm noch nützen würde, aber so kann er der verhassten Chefin zum Abschluss wenigstens noch eine reinwürgen). Das sei doch alles nur Heuchelei! Jeder wisse doch, dass sie Frauen in Wirklichkeit nicht leiden könne. Oder warum engagiere sie sonst ausschließlich Männer für ihr Team?

Ein fulminanter Beginn und ein großer Spaß. Der Fragen aufwirft. Frauen in Machtpositionen, die sich am liebsten mit Männern umgeben – was steckt da dahinter? Angst vor Konkurrenz? Glauben sie, sie müssten sich vom „schwachen“ Geschlecht abgrenzen, um selbst stark zu erscheinen? Oder führen sie nur fort, was ihre Vorgänger schon praktiziert haben?

Leider geht hier der Film nicht weiter in die Tiefe. Katherine stellt einfach eine Frau ein, eine junge Inderin, die zuvor in der Qualitätskontrolle eines Chemiewerks gearbeitet hat – und es entwickelt sich, nach holprigem Beginn, eine wunderbare Frauen-Kameradschaft.

Bissgurrig und verhärtet

Emma Thompson spielt die im Hosenanzug und mit patenter Kurzhaarfrisur auftretende Talkerin wunderbar herb und bissgurrig, eine Frau, die clever, mächtig, von sich selbst überzeugt ist und das auch nicht verbirgt. Mindy Kaling, die auch das Drehbuch geschrieben hat, gibt dagegen die naive, ehrliche Molly, die anfangs noch nach jeder Auseinandersetzung heulend unterm Schreibtisch sitzt und langsam lernt, sich zu behaupten.

Kaling spielt besser als sie schreibt. Die Story dieses als Dramedy/Comedy bezeichneten und von Nisha Ganatra mit Schwung inszenierten Films ist nämlich hanebüchen und lässt sich in etwa so zusammenfassen: Toughe Frau setzt sich im Männerbusiness durch, mit allen Tricks, die sie sich beim anderen Geschlecht so abgeschaut hat, doch als sie auf dem absteigenden Ast ist, als sie mit Ruppigkeit, Arroganz und Dominanzgehabe nicht mehr weiterkommt, entdeckt sie ihre weibliche Seite. Sie lernt, Kritik anzunehmen. Öffnet sich. Entwickelt soziale Kompetenz. Am Ende nennt sie ihre Mitarbeiter, die sie vorher durchnummeriert hat, sogar beim Namen! Und weil sie in der Show von ihren Wechseljahren erzählt und auch sonst ungewohnt feministisch-persönlich wird, fliegen ihr die Herzen der Zuschauer wieder zu.

Das große emanzipatorische Kino, von dem mancher schreibt, ist das wohl nicht. Aber schön, dass Hollywood mittlerweile bereit ist, auch aus feministischen Themen Rührstücke zu machen. Nennen wir es Fortschritt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 31.08.2019)

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