Musik-Finessen am Attersee

Round Table 6 Wels, Gastgeber der bedeutendsten Pianisten, einte diesmal Elisabeth Leonskaja mit dem Jerusalem Quartet.

Es passiert nur alle heiligen Zeiten, dass sich fünf Musiker in der Phrasierung, im Kolorit, in der Tonabmischung und in den dynamischen Registern derart einig sind wie Elisabeth Leonskaja, die Russin aus Georgien, und die meist russischstämmigen Israeli des Jerusalem Quartets. In Antonín Dvořáks melodienseligem A-Dur-Quintett, op. 81, spürten sie der einzigartigen böhmischen Seele nach und atmeten im Gleichklang. Jargon wie Dialekt dieser Musik erfordern erlesenen Geschmack. Wo oft der tiefe Absturz in Kitschregionen droht, waren im vornehmen Festsaal von Schloss Kammer diesmal nur edle Töne zu hören.

Das seit 1996 existierende Jerusalem Quartet spielt heute in den vordersten Reihen mit – technisch bestens versiert, macht es einen vitalen, stilistisch aufgeschlossenen Eindruck. Dazu die wunderbare Elisabeth Leonskaja auf einem brillanten Fazioli-Flügel (durchsichtig in allen Höhen und Tiefen, mit geradezu orchestralem Impetus), die große Meisterin der Poesie wie der dramatischen Attacke und der inneren Antriebskraft. Musikalische Explosionsbereitschaft als Persönlichkeitsmerkmal.

So versöhnlich diese zweite Programmhälfte, desto nachdenklicher der Start mit dem g-Moll-Quintett, op. 57, von Schostakowitsch. Bereits 1940 war Bach für Schostakowitsch Inspirationsquelle: Zuerst zeigt ein aufschäumendes Präludium, dass vor dem Bruch des Hitler-Stalin-Paktes die Welt vielleicht noch halbwegs in Ordnung war. Die Adagio-Fuge erschüttert als lyrisches Lamento, pure Angst und Bedrohung in weiße Musik versteckt, hinter jedem Eck lauert ein Verräter oder Mörder. Das wilde Scherzo setzt die Narrenkappe auf, um weniger zu sehen. Grotesk das schein-versöhnliche Finale in Quasi-Dur. Die diktatorische Bürokratie fiel darauf herein und verlieh Schostakowitsch den Stalin-Preis! Leonskaja und ihre Mitstreiter erzählten ergreifend ein Stück Zeitgeschichte. (wagü)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 31.08.2019)

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