Porentiefe Politikerporträts

Oder: Warum wir Hugh Grant wählen würden und gern andere Plakate hätten.

Wenn das gefühlte Sommerende mit dem erlebten Wahlkampfstart zusammenfällt, kann ein einigermaßen guter Magen nicht schaden. Wobei man die Auslassungen von Wutdoyennen oder freiwillige Ausritte ins unfreiwillig komische Fach (wer sich Paartherapien so vorstellt, sollte hoffen, nie eine zu brauchen), wie sie die sozialen Medien fast täglich bieten, ja nicht konsumieren muss. An den analogen, auf echtes Papier gedruckten, riesengroßen Wahlplakaten kommt man aber auch im beginnenden vierten Quartal des Jahres 2019 beim besten Willen nicht vorbei. Und während im Digitalen gilt, je ungewöhnlicher, desto besser, scheint im öffentlichen Raum die Zeit gefroren. Die immer gleichen hölzernen Sprüche mit den porentiefen Porträts der Spitzenkandidaten. Als wären alle Kreativen in den War Rooms der Parteizentralen eingeloggt, nebenan entwerfen die 16 bis 24 Bogenplakate offenbar eher die bekennend Uninspirierten.

Dabei fällt wieder auf, dass (auch fotogene) Gesichter und (in anderem Kontext untadelige) Worte ab einer gewissen Größe und Frequenz unmittelbar bedrohlich wirken. Das gilt sogar für „Menschlichkeit“, umso mehr natürlich noch für „heimattreu“, das man übrigens besser nicht mit „sozial“ kombinieren und überhaupt schon wegen der schlechten Lesbarkeit von Wortkopplungen meiden sollte, die zu Mehrfachbuchstaben führen (Schlag nach bei Schneeeule).

Die Orangen und die Grünen überraschen unterdessen mit der freiwilligen Adoption des alten Jörg-Haider-Begriffs „Anstand“, während Türkis und Blau auf den Plakaten beide die gleiche Sprache sprechen wollen. Nämlich die unsere. Anzunehmen, dass es sich dabei um Deutsch handeln dürfte.

Während also in Österreich ein Parlament gewählt wird und sich die seit Jahren verdichtenden Anzeichen, dass Marcel Hirscher seine Karriere beenden könnte, weiter verdichten (freilich hat er nur in dieser Phase der Rücktrittsunsicherheit mehr gewonnen als andere in ihrer ganzen Laufbahn), schickt der britische Premierminister just zum Sommerende sein Parlament in Zwangsurlaub. Das hat Hugh Grant, der schon wegen „Notting Hill“ unsere Stimme bekäme, dazu gebracht Boris Johnson als „Rubber Bath Toy“ zu bezeichnen. Was besser unübersetzt bleibt, wie „Gummibadespielzeug“-Schlagzeilen zeigen.

florian.asamer@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 01.09.2019)

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