Abwärts zwischen Drachen und Aliens

Eine Matte muss man verwenden, damit die Darstellung in der Brille synchron zum Rutschen ist. Nach oben geht es mit dem Aufzug.
Eine Matte muss man verwenden, damit die Darstellung in der Brille synchron zum Rutschen ist. Nach oben geht es mit dem Aufzug.(c) Clemens Fabry
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Man sieht schon etwas, wenn man in Lutzmannsburg auf der längsten Virtual-Reality-Wasserrutsche der Welt nach unten rast. Nur ist es halt nicht die Realität, sondern eine Zauberwelt, die man sich vorher aussuchen kann.

Und plötzlich fliegt ein Drache vorbei. Dreht man den Kopf mit, kann man seinen Weg nach hinten verfolgen. Ein Drache also. Sieht man ja auch nicht jeden Tag. Wenn es nur nicht so holprig wäre . . . Denn da ist plötzlich eine Kurve, und man wird ruckartig zur Seite gerissen. Lieber schnell den Blick wieder nach vorn richten.

Es ist eine Fahrt durch eine Fantasiewelt, mit Wolken, Pflanzen, seltsamen Figuren. Und man selbst ist unterwegs auf einem Weg, der sich mitten durch die Luft schlängelt. Fast wie eine Rutsche durch den Himmel. Ja, Rutsche ist ein guter Vergleich. Denn tatsächlich befindet man sich gerade in einer. Nur dass man die Wände aus Edelstahl nicht sieht. Sondern eine Märchenlandschaft, durch die man gleitet. Es ist die – nach Eigenangaben – längste Virtual-Reality-Wasserrutsche der Welt.

„Es war schon Zeit, etwas Neues mit der Rutsche zu machen“, erzählt Christian Berghofer. Als Leiter der Technik in der Therme Lutzmannsburg war er bei der Entstehung der Attraktion von Anfang an dabei. Die Rutsche selbst sei ja schon 2003 eröffnet worden, nur eben ganz ohne technische Finessen. Und sie sei noch tadellos in Schuss. Dennoch wollte man etwas Neues anbieten.

So holte man sich Inspirationen aus Erding, wo die größte Therme der Welt mit einem riesigen Angebot an Rutschen steht. Und entschloss sich schließlich dazu, auch eine virtuelle Rutschfahrt anzubieten.


Nicht immer ganz synchron. Die Rutsche selbst blieb weitgehend so, wie sie gebaut worden war. Mit dem Unterschied, dass eine Firma aus den USA die Strecke technisch adaptierte. An sieben Punkten entlang der Strecke wurden Ultraschalleinrichtungen montiert. Von dort aus werden Signale an die VR-Brille gesendet, die die Besucher vor dem Start aufsetzen müssen. Und so kann der aktuelle Standort zwischen Brille und Sender synchronisiert werden – und damit das Bild, das man gerade vor Augen hat, auch zur jeweiligen Stelle der Rutsche passen.

Das ist auch eine der Schwierigkeiten, die während der Fahrt auftreten. Denn nicht immer laufen virtuelle Welt und Realität ganz synchron. Da rast man etwa in der Fantasiewelt auf eine Linkskurve zu, die sich in der Ferne abzeichnet. Doch noch während man sich darauf einstellt, wird man schon ruckartig zur Seite gerissen. Das kommt dann unerwartet. So wie auch umgekehrt, wenn auf dem Screen vor dem Gesicht eine enge Kurve auftaucht, man aber in Wirklichkeit einfach geradeaus weiterrutscht.

Das ist das Komplizierte dabei – bei einer Achterbahn mit VR wird die Geschwindigkeit genau reguliert, dementsprechend lässt sich eine Strecke leicht mit der Umgebung der VR synchronisieren. In der Rutsche hingegen rutscht jeder Benutzer unterschiedlich schnell, und die Sensorik muss Wirklichkeit und Computerbild zusammenführen.


Smartphone in der Brille. Das allein ist technisch machbar, doch weil die Rutsche aus Edelstahl gebaut wurde, kommen die Daten der Ultraschallübertragung nicht immer und überall gleich gut an – die Reflexionen des Materials stören das Signal. „Die US-Firma hätte es sich einfacher vorgestellt“, sagt Berghofer. Und so musste nachgearbeitet werden, die Position der Sender adaptiert und die Synchronisierung verfeinert werden.

Die Brille, ein gelbes Ungetüm mit schwarzem Gummiband, ist nicht ganz so komplex. Ins Gehäuse sind handelsübliche Samsung-Smartphones eingebaut. Insgesamt hat man 30 davon zur Verfügung, durch die man in drei verschiedene Welten eintauchen kann: World of Dragons, World of Aliens und World of Fantasy. Welche Welt man betreten will, wird am Start von einem Mitarbeiter eingestellt.

Und dann ist da noch ein weiteres wichtiges Utensil: eine Matte mit Kopfstütze und Armlehne. Auf sie muss man sich legen, wenn man die Rutsche mit der Brille benutzen will.

„Das Raft fungiert als Puffer für die Sensoren“, sagt Berghofer. Damit haben alle Nutzer zumindest eine ähnliche Auflagefläche mit ähnlichem Rutschverhalten. Je nach Körpergewicht und Gewichtsverlagerung während des Rutschens kann man natürlich trotzdem die Geschwindigkeit noch beeinflussen. Die Armlehne hat übrigens ihren Sinn, denn vor lauter Begeisterung über den 360-Grad-Blick sollte man nicht vergessen, dass man gerade auf einer Matte durch eine Wasserrutsche fährt. Und mit ein bisschen Pech kann man ab der Ausfahrt der ersten Kurve plötzlich neben der Matte talwärts rauschen. Gefährlich ist das nicht, synchron ist dann allerdings gar nichts mehr.

Hält man sich auf dem Raft, braucht es zwischen 38 und 45 Sekunden, in denen man die 202 Meter lange Rutsche absolviert. Und schließlich sitzt man in einem Landebecken und braucht einen Moment, um zu realisieren, dass man nun am Ende angelangt ist. Und möglichst schnell aufstehen und das Becken verlassen sollte.

Nach der Fahrt sollte man das Landebecken schnell verlassen.
Nach der Fahrt sollte man das Landebecken schnell verlassen.(c) Die Presse (Clemens Fabry)

Seit 25 Jahren gibt es die Therme in Lutzmannsburg mittlerweile schon. In dieser Zeit hat man immer wieder ausgebaut und das Angebot erweitert. Für die Virtual-Reality-Rutsche hat man zuletzt etwa 400.000 Euro investiert. Dementsprechend kostet es auch extra: Zwei Euro pro Fahrt sind es. Aber auch diese Extrakosten scheinen nicht abzuschrecken: An besonders vollen Tagen kann es schon eine Zeit dauern, bis man an die Reihe kommt.

Insgesamt passt die Attraktion gut zur Zielgruppe der Therme – man setzt seit einigen Jahren auf Familien mit Kindern und Babys. Für die Rutsche gibt es allerdings eine Altersgrenze – sieben Jahre alt muss man sein, um mit der VR-Brille rutschen zu dürfen. Und man darf auch nur einzeln auf der Matte Platz nehmen, Kinder auf den Schoß nehmen ist nicht erlaubt. Dafür braucht man sich auch keine Sorgen zu machen, wenn die Kinder allein rutschen. Die Fahrt wird zwar zeitweise recht flott, aber bleibt immer im Rahmen.


Nächster Schritt: schnorcheln. Virtual Reality ist in Lutzmannsburg offenbar ein Modell der Zukunft. Denn neben der Rutsche, die seit Mitte Juli in Betrieb ist, gibt es seit dem Beginn des Sommers eine weitere Attraktion – schnorcheln mit VR-Brille. Hier können die Gäste dann fünf Minuten lang durch Korallenriffs, Schiffswracks und Unterwasserhöhlen tauchen. All das passiert in einem eigenen Becken – und man ist dabei angegurtet, damit man nicht gegen ein Hindernis knallt, wenn die virtuelle Realität den Blick auf die Wirklichkeit verstellt.

Rutschen

Eintritt: Tageskarte für die Therme für Erwachsene 29 Euro, Kinder je nach Alter zwischen 10,80 und 24 Euro.

Rutsche: Die Benutzung der Rutsche mit Virtual-Reality-Brille kostet pro Rutschvorgang 2 Euro extra. In Betrieb ist sie Mo–Fr 11–12 und 16–18 Uhr, Sa, So und in den Ferien 11–18 Uhr.

Infos: www.sonnentherme.at

("Die Presse", Print-Ausgabe, 01.09.2019)

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