Management im Kopf

Sie nannten ihn Fürchti

Folge 163. Management in komplexen Systemen: Die Angst vorm Komplexen.

Gerne hätte er sich als Leiter der Rechtsabteilung gesehen. An einer Vorstandsposition war er nie interessiert gewesen, schon gar nicht am Vorsitz. Doch man hatte ihn dazu überredet, „weil er nicht gut genug im Neinsagen gewesen war“. Wenig später nannten ihn alle „Fürchti“, so wie den kleinen ängstlichen Schlumpf. Das, weil er kein Meeting ohne schweißnasse Hände durchstand. Doch „Fürchti“ war gar kein Angsthase, wie sich beim genauen Hinsehen zeigte. Komplexe Dinge lösen bei jedem Menschen Angst aus, sobald man sich in irgendeiner Weise von ihnen betroffen oder abhängig sieht. „Fürchti“ war sich dessen bewusst, während die Manager in seinem Umfeld vor ihrer eigenen Angst die Flucht ergriffen…

Fürchti

Die Manager der Geschichte, die ich hier erzähle, sind heute entweder sehr alt oder wie „Fürchti“ bereits im Jenseits. 1992 wurde er Vorstand eines sanierungsbedürftigen europäischen Konzerns. Bald darauf wurde er Vorsitzender. 1989 war die Geburtsstunde des World Wide Web. Damals erschien auch Dietrich Dörners berühmtes Buch „Die Logik des Misslingens. Strategisches Denken in komplexen Situationen“. „Fürchti“ war einer der ersten, der es gelesen hatte. Bevor man ihn „Fürchti“ genannt hatte, hieß man ihn „Professor“, weil er sich als gelernter Jurist prinzipiell auf valide Grundlagen stützte, seine Intuition und persönliche Meinung hingegen nicht allzu ernst nahm. Für ihn war es nur nahe gelegen, sich als frisch gebackener Vorstandsvorsitzender Dörners Buch nochmal zu Gemüte zu führen, und nochmal. Denn wenn es auch Tatsache war, dass er so gut wie immer schweißnasse Hände hatte: Vor den komplexen Verhältnissen des Konzerns hatte er viel weniger Angst als vor den naiven Managern um sich herum. Noch mehr Angst hatte er allerdings davor, dass er schweißnasse Hände bekommen könnte…

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