Tausende Demonstranten versuchten, den internationalen Flughafen zum Stillstand zu bringen - und verwüsteten mit Flammen, Messern und Sprays eine nahegelegene U-Bahn-Station. Schon am Samstag war es zu schweren Ausschreitungen gekommen.
Während Hongkong nach einer Nacht des Chaos langsam erwachte, rückten die Putztrupps an: Gekleidet in gelbe Jacken kehrten sie die Überreste der Brandsätze von den Straßen, die die Demonstranten noch vor wenigen Stunden gegen die Polizei geworfen hatte. Auch schwarze Brandflecken auf dem Asphalt zeugten von den stundenlangen Auseinandersetzungen, die sich Beamten und Aktivisten geliefert hatten.
Dutzende Arbeiter kratzten im Viertel rund um das Polizeihauptquartier in Wanchai Sticker und Poster von Wänden und Straßenlaternen, mit Chemikalien sprühten sie die wütenden Slogans der jungen Hongkonger von den Fassaden. „Chinazi will uns töten“, stand da in der Früh in Anspielung auf den Nationalsozialismus an einer Straßenbrücke. Oder: „Polizei, ihr seid Hunde.“ Eilig hatte jemand die Beschimpfungen auf den Mauern der Polizeiwache noch mit schwarzen Plastiksäcken überdeckt, bevor die Finanzmetropole am Sonntag erwachen sollte.
Doch die Ruhe währte nicht lange: Tausende Demonstranten strömten im Laufe des Tages zum internationalen Flughafen, errichteten Blockaden an der größten Zufahrtsstraße zum Terminal, nahmen Zäune auseinander. Der Flughafenshuttle blieb gesperrt, verärgerte Taxi-Fahrer harrten in kilometerlangen Staus auf der Autobahn aus.
Randale in U-Bahn-Station
Schon vor drei Wochen hatten Aktivisten den Flughafen belagert, so dass der Flugbetrieb an zwei Tagen vorübergehend gestoppt werden musste. Im Flugverkehr gab es zunächst keine Einschränkungen. In den Terminals waren Polizisten im Einsatz. Nach einer Flughafenblockade im August, bei der es zu Flugausfällen und gewaltsamen Zusammenstößen zwischen Demonstranten und der Polizei gekommen war, dürfen Demonstranten den Flughafen nicht mehr betreten.
Später zogen sich die Aktivisten in eine nahegelegene U-Bahn-station zurück. Dort entfachten sie Feuer, zerstörten mit Messern und Schlagstöcken Bezahlautomaten, besprühten die Wände mit ihren Slogans. „Achtung, das ist ein Notfall“, klang es durch die Lautsprecher. Ein lautes Alarmsignal tönte auf. Wenig später stürmte die Polizei die Station und durchsuchte die Züge nach Demonstranten. Ganze U-Bahn-Linien wurden gesperrt, als die Polizei Razzien durchführte.
Einmal mehr war über der Stadt am Sonntag das Grollen der Polizeihubschrauber zu hören. Und immer und immer wieder ertönte der Schlachtruf der Demonstranten. „Befreit Hongkong, Revolution unserer Zeit.“
Polizisten attackierten Demonstranten
Im Stadtzentrum von Hongkong waren am Samstag trotz eines Demonstrationsverbots erneut zehntausende Menschen für mehr Demokratie auf die Straße gegangen. Bei den schweren Zusammenstößen zwischen den sogenannten „Frontlinern“, den Radikalen“ und der Polizei, versuchten die Beamten die Demonstranten mit Tränengas und Wasserwerfern mit blaugefärbtem Wasser zu zerstreuen. Die Aktivisten warfen Ziegelsteine und Brandsätze, setzten Barrikaden in Brand und verwüsteten U-Bahn-Stationen.
In einigen U-Bahn-Stationen kam es zu brutalen Szenen: Videos zeigen, wie voll ausgerüstete Polizisten vermeintliche Demonstranten in gewöhnlicher Kleidung verfolgen und mit Schlagstöcken auf sie einschlagen. 63 Personen seien verhaftet worden. Immer lauter wird angesichts solcher Szenen die Forderung der Aktivisten nach einer unabhängigen Untersuchung der Proteste.
In Hongkong gibt es seit drei Monaten Massenproteste für mehr Demokratie und gegen eine wachsende Einflussnahme Pekings. Für Samstag hatten die Organisatoren ursprünglich eine Großdemonstration angemeldet, um an den fünften Jahrestag der Regenschirm-Proteste zu erinnern, die die Finanzmetropole 2014 wochenlang lahmgelegt hatte. Die Polizei hatte die Demonstration jedoch verboten.
(me)