„Winning Ugly“: Die mentale Kriegsführung auf dem Tennisplatz

Zverev kritisierte unter anderem Daniil Medwedew und Stefanos Tsitsipas.
Zverev kritisierte unter anderem Daniil Medwedew und Stefanos Tsitsipas.(c) USA TODAY Sports (Danielle Parhizkaran)
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Speziell die jüngere Generation agiert dieser Tage in New York verhaltensauffällig. Doch Mätzchen kommen weder beim Publikum gut an noch unter Spielerkollegen. Der Deutsche Alexander Zverev ging deshalb in die Offensive: „Manche von uns lassen lieber ihre Schläger sprechen.“

New York/Wien. Tennis ist längst nicht nur Aufschlag, Return, Vorhand und Rückhand. Viele, vor allem die engen Matches, werden nicht durch einzelne Schläge entschieden. Der Kopf spielt häufig eine ganz wesentliche Rolle. Mitunter bedienen sich Spieler manches Mätzchens, um den Gegner aus dem inneren Gleichgewicht zu bringen. Der US-Amerikaner Brad Gilbert war zu aktiven Zeiten ein Meister dieser mentalen Kriegsführung, 1993 brachte der ehemalige Coach von Andre Agassi den bis heute vielbeachteten Ratgeber „Winning Ugly“ auf den Markt.

Bei den US Open in New York kommt diese Methode wieder richtig in Mode. Frances Tiafoe (21, USA) etwa hatte im Match gegen Alexander Zverev eine zwölfminütige Toilettenpause eingelegt. Der Deutsche wartete zähneknirschend auf dem Platz, er verlor unmittelbar danach seinen Rhythmus und das Aufschlagspiel. Auch Stefanos Tsitsipas, 21, hatte mitten im Satz gegen Andrei Rublev dasselbe Stilmittel verwendet. Der Grieche war schon in Cincinnati in die Kritik geraten, als er sich bei mehreren Spielen neue Schuhe auf den Platz bringen ließ, nachdem sich die Sohlen gelöst hatten.

Alle gegen einen

Einen bemerkenswerten Auftritt hatte in der dritten Runde auch Daniil Medwedew hingelegt. Der Russe, 23, provozierte in vielerlei Hinsicht. Zunächst riss er einem Balljungen das Handtuch aus der Hand. Nachdem er dafür eine Verwarnung vom Schiedsrichter erhalten hatte, warf der 23-Jährige seinen Schläger zu Boden und tippte sich mit dem Mittelfinger an die Stirn. Die Szene wurde auf den Videoleinwänden des Louis-Armstrong-Stadiums gezeigt, Medwedew erntete Buhrufe der Zuschauer und hatte diese für den Rest der Partie gegen sich. Nach seinem Sieg legte sich Medwedew ganz bewusst mit dem Publikum an, unter lauten Buhrufen sagte der Mann aus Moskau: „Ich danke euch. Eure Energie hat mir den Sieg gebracht. Wenn ihr heute Nacht schlafen geht, sollt ihr wissen, dass ich nur wegen euch gewonnen habe.“

Superstars wie Novak Djoković und Rafael Nadal greifen ebenfalls gern zu „Hilfsmitteln“, sie lassen sich vor besonders wichtigen Punkten auffällig lange Zeit. Verhältnismäßig selten bekommen Djoković und Nadal dafür Verwarnungen ausgesprochen, obwohl die Shotclock (25 Sekunden Zeit bis zum nächsten Aufschlag) bereits abgelaufen ist.

Zverev sah sich nach seinem Einzug ins Achtelfinale bemüßigt, einige Spieler der jungen Generation, welcher auch er angehört, nach den jüngsten Aktionen zurechtzuweisen. „Was Medwedew da gemacht hat, verstehe ich nicht so ganz“, sagte der 22-Jährige. Auch Tsitsipas' Vorgehen stößt dem Hamburger immer wieder sauer auf. „Er macht viel, um den Gegner rauszubringen.“

Allerdings, es gäbe einige Spieler dieser „Next Gen“, die sich vorbildlich verhalten würden, erklärte Zverev und nannte Karen Katschanow, Alex De Minaur oder Félix Auger-Aliassime. „Wir lassen unsere Schläger sprechen. Ich hoffe, dass uns Medien und Zuschauer nicht alle in einen Topf werfen.“


US OPEN 3. RUNDE

Herren: Nadal (ESP/2) – Chung (KOR) 6:3, 6:4, 6.2. Zverev (GER/6) – Bedene (SLO) 6:7 7:6, 6:3, 7:6. Monfils (FRA/13) – Shapovalov (CAN) 6:7, 7:6, 6:4, 6:7, 6:3. Čilić (CRO22) – Isner (USA/14) 7:5, 3:6, 7:6, 6:4. Rublew (RUS) – Kyrgios (AUS/28) 7:6, 7:6, 6:3.
Damen: Osaka (JPN/1) – Gauff (USA/WC) 6:3, 6:0. Bencic (SUI/13) – Kontaveit (EST/21) w.o. Vekić (CRO/23) – Putinzewa (KAZ) 6:4, 6:1. Townsend (USA/Q) – Cirstea (ROU) 7:5, 6:2.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 02.09.2019)

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