Arendt und der Genozid an den Armeniern

Der Politikwissenschaftler Devrim Sezer.
Der Politikwissenschaftler Devrim Sezer.(c) (c) Inés Bacher
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Der Politikwissenschaftler Devrim Sezer beschäftigt sich am Beispiel des Osmanischen Reichs mit dem Genozid-Begriff. Warum Hannah Arendt den Leugnern in der Türkei zupasskam – und warum Raphael Lemkin das ändern könnte.

Die Presse: Den Völkermord an den Armeniern im Osmanischen Reich verleugnen noch sehr viele in der Türkei. Wie ist diese Leugnung mit historischen Beweisen heute möglich?

Devrim Sezer: Hannah Arendt hat geschrieben, dass der Terminus Genozid nur in Verbindung mit Rassismus definiert werden kann. So argumentieren auch die Leugner: Dem Holocaust liegen rassistische Motive zugrunde, im Fall der Armenier war das nicht so. Nur ein Beispiel: Bei der Vernichtung der Juden gab es keine Möglichkeit einer Konversion, auch Konvertiten wurden ermordet. Wohingegen die Armenier sich ja hätten assimilieren können. Die Argumentation geht damit weiter, dass der Massenmord der Nazis total war: Er betraf nicht nur die deutschen Juden, sondern den gesamten Kontinent. Auch das war im Osmanischen Reich nicht der Fall, die Deportationen fanden hauptsächlich in Ostanatolien statt.

Wie erklären sich die Leugner sonst „die Ereignisse“, wie der Genozid lang genannt wurde?

Die Morde der Nazis waren getrieben von diesem irrationalen, rassistischen Gesichtspunkt, während das Osmanische Reich nach strategischen, militärischen Motiven gehandelt habe.

Dem vermeintlich Rationalen im osmanischen Fall liegt eine Dolchstoßlegende zugrunde.

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