Argentinien gibt Investoren Rätsel auf

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Die Sorge um eine Staatspleite treibt die Zinsen für argentinische Anleihen. Es gibt Herabstufungen durch drei Ratingagenturen.

Es war noch nie etwas für schwache Nerven, Geld in argentinische Staatsanleihen zu investieren. Die Ankündigung der Regierung in Buenos Aires, die Laufzeiten einiger Papiere zu verlängern, eine deutliche Herabstufung durch drei Ratingagenturen sowie eine Anordnung der Notenbank, kein Geld mehr aus dem Land auszuführen, dürften auch dem wagemutigsten Investor Schweißperlen auf die Stirn treiben.

Es geht um nicht mehr als die Frage, ob das südamerikanische Land wieder in eine Staatspleite schlittert. Die Ratingagentur Standard & Poor's sieht jedenfalls Argentinien nicht weit davon entfernt: Sie senkte ihr Rating um drei Punkte auf CCC- und damit auf die niedrigste Stufe im Schrottbereich. Die Papiere seien in Gefahr, nicht zurückgezahlt zu werden. Fitch stufte die Papiere auf "Restricted Default" ein, Moody's folgte mit seiner Herabstufung. Einige Investoren, vor allem Pensionsfonds, mussten sich nach ihren Investmentregeln von ihren Anleihen trennen - was Bonds auf Rekord-Tiefstände schickte.

Inzwischen liegen die Zinsen für viele im Ausland gehandelte Anleihen bei zum Teil deutlich mehr als 20 Prozent, die Kosten für die Kreditausfallversicherung liegen bei fast einem Drittel der Kreditsumme, der Peso bricht ein. Der Kurs des "Jahrhundertbonds" mit Laufzeit bis 2117 fiel auf ein Rekordtief von 36,5 Prozent seines Nennwerts - ein Anzeichen dafür, auf welche Abschreibungen sich die Investoren einstellen.

Zahlungsausfall befürchtet

Auslöser der jüngsten Turbulenzen ist die Furcht, der populistisch-sozialistische Oppositionskandidat Alberto Fernandez könnte den wirtschaftsnahen Amtsinhaber Mauricio Macri bei der Präsidentschaftswahl im Oktober schlagen. Verschärft wurde die Krise am Mittwoch, als es Finanzminister Hernan Lacunza nicht gelang, auslaufende Inlands-Papiere mit kurzer Laufzeit neu zu finanzieren, und er deswegen längere Laufzeiten ins Spiel brachte. Nach Berechnungen des auf Schwellenländer spezialisierten Investmenthauses Tellimer geht es dabei um etwa sieben Milliarden Dollar (6,34 Mrd. Euro) kurzfristiger Papiere, 50 Milliarden Dollar langfristiger Anleihen und 44 Milliarden Dollar, die der Internationale Währungsfonds beigesteuert hat.

Die vorgeschlagenen längeren Laufzeiten für Anleihen - denen das Parlament noch zustimmen muss - könnten funktionieren, wenn sich Argentinien lediglich in einer Liquiditätskrise befinde, sagte Hontao Jiang, Experte bei der Deutschen Bank. Doch danach sehe es nicht aus. "Man darf das jetzt nicht falsch verstehen, dies wird ein Zahlungsausfall bei den Auslandsschulden." Am Markt wird die Wahrscheinlichkeit, dass es in den kommenden zwölf Monaten dazu kommt, auf 50 Prozent beziffert - und auf mehr als 80 Prozent binnen fünf Jahren.

Für Argentinien wäre es nicht das erste Mal: 2001 hatte eine Staatspleite Schockwellen auch in die Depots deutscher Kleinanleger geschickt, die die relativ hoch verzinsten Papiere gekauft und von dem Risiko auf dem falschen Fuß erwischt worden waren. Den größeren Preis zahlte die Bevölkerung: Die Wirtschaftsleistung schrumpfte, die Inflation schnellte nach oben, die Arbeitslosigkeit stieg, Armut machte sich breit. 2015 schaffte es Argentinien, sich wieder am Markt zu finanzieren.

Bei der Fondsgesellschaft BlackRock steht das Land aber auf dem 57. Platz von 60, was Risiken wie die Zahlungsbereitschaft, Haushaltsspielraum, Gesundheit des Finanzsektors und Finanzierungsposition angeht. Damit wird das Risiko nur in Venezuela, dem Libanon und Ägypten höher eingeschätzt. "Das ist eines der am schlechtesten regierten, miserabel gemanagten, unvorhersehbaren und vermasselten Länder der Welt", sagte Jan Dehn, Analysechef beim Investmentmanager Ashmore Group. "Es hat eines der höchsten Pleiterisiken überhaupt. Der Grund, warum wir die Schwankungen hinnehmen ist, weil wir am Ende doch noch glauben, dass Argentinien noch zukunftsfähig ist."

(APA/Reuters)

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