Vollpension: Omas Kuchen für den Ersten

(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Das Generationencafé mit seinen backenden Omas und dem Retro-Charme sperrt ein zweites Lokal in der Wiener Innenstadt auf. Der Standort ist noch geheim.

Bei manchem ist es eines der wunderbar altmodisch geblümten Häferln. Bei anderen eine der eingerahmten Stickereien (Waren die wirklich jemals modern?) an der Wand. Bei sehr vielen Besuchern dürfte auch der erste Biss in den Kuchen der Auslöser für einen Eindruck sein, der in der Vollpension durchaus gewollt ist: Hier erinnert alles an früher, an daheim bei der Oma.

Denn den besten Kuchen gab und gibt es – hier wird kaum jemand widersprechen – immer bei der Oma. Mit dieser Idee – einen Ort zu schaffen, an dem sich Besucher geborgen fühlen, Kaffee trinken, Kuchen essen wie bei der Oma und im Idealfall mit den hier arbeitenden Seniorinnen ins Gespräch kommen – wurde die Vollpension von drei (jungen) Leuten geboren. Zunächst tingelten sie in einem alten VW-Bus durch Österreich, vor vier Jahren ist die Vollpension im vierten Bezirk in der Schleifmühlgasse vis-à-vis vom Anzengruber sesshaft geworden.

Zu sagen, dass das Konzept eines Generationencafés, in dem ältere Frauen täglich frische Kuchen nach ihren bewährten Oma-Rezepten backen, aufgegangen ist, wäre beinahe untertrieben: Die im Retro-Charme eingerichtete Vollpension wird neben kuchenbegeisterten Wienern längst auch von Touristen frequentiert und ist praktisch immer gut besucht.

Auch das Interesse von Seniorinnen, die sich in der Pension etwas dazuverdienen wollen (oder vielfach: müssen) oder ein wenig der Einsamkeit entkommen wollen, sei riesig, erzählt Hannah Lux, die das Unternehmen gemeinsam mit Julia Krenmayr und Moriz Piffl-Percevic führt.

Im Oktober eröffnen die drei eine zweite Vollpension in der Innenstadt (der genaue Standort ist noch geheim), für die sie 25 weitere Omas und Opas suchen. Oder eher: gesucht haben. Vor wenigen Tagen haben sie die Jobs auf Facebook ausgeschrieben, „und wir haben in den ersten acht Stunden 120 Bewerbungen bekommen“, sagt Lux. „Und das noch ganz ohne Medienberichte.“ Für die 31-Jährige bestätigt die hohe Zahl an – großteils weiblichen – Bewerbern, dass es Generationencafés wie die Vollpension braucht.

Gleichzeitig, sagt Lux, machen sie die vielen Bewerbungen (die vielfach mit berührenden Lebensgeschichten eintrafen) auch betroffen. „Da geht es nicht nur um das süße kleine Omakaffeehaus“, sagt Lux. „Da stecken echte gesellschaftliche Probleme dahinter: Altersarmut, Einsamkeit.“ Und: „Es ist auch ein extremes Genderthema.“ Frauen, die nicht oder wenig gearbeitet haben, weil sie bei den Kindern daheimgeblieben sind – und nun von ihrer kleinen Pension kaum leben können. „Das muss man größer angehen, da müssen sich Politik, Zivilgesellschaft und Unternehmer gemeinsam etwas überlegen.“

Ein Unternehmen zu führen („Wir bekommen keine Förderungen, das ist uns wichtig“), das sich wirtschaftlich rentiert, das sich aber auch als Sozialunternehmen versteht, sei eine große Herausforderung, sagt Lux. „Am Ende des Tages haben wir 50 Mitarbeiter, die wir bezahlen müssen.“ Denn neben den 17 Backomas (und einem Backopa) und weiteren sechs Omas und Opas vom Dienst, die sich um die Gäste kümmern, gibt es auch viele Junge im Team: Der jüngste ist 19, die älteste 77. Natürlich „kracht es da auch oft“. Aber, sagt Karin Wimmer-Kandler, „man kann sich alles ausreden“.

Wimmer-Kandler ist seit November eine der Backomas, sie hat von dem Konzept gehört, war begeistert und hat sich beworben: Normalerweise arbeitet sie zwei- bis dreimal die Woche hier, derzeit ob einer Knieverletzung etwas weniger.

„Das ist etwas, was ich wirklich schätzenswert finde“, sagt sie. „Dass hier auf die körperlichen Hoppalas Rücksicht genommen wird.“ Die meisten arbeiten eine oder zwei Schichten à fünf Stunden in der Woche, „,sonst wird es auch zu anstrengend“, sagt Lux. Denn einfach sei der Job nicht: Man bäckt Kuchen, steht an der Ausschank und plaudert nebenbei mit den Gästen.

Holpriger Anfang

Für Wimmer-Kandler – Stammgäste kennen sie als Backoma Karin – war der Anfang „schon holprig, weil es ein Unterschied ist, ob man zu Hause für die Familie, egal, wie groß die ist, kocht oder plötzlich professionell kochen muss“. Aber, sagt sie, „es macht Riesenspaß“.

Die neue, zweite Vollpension im ersten Bezirk werde von der Idee her sehr ähnlich. Allerdings „haben wir uns auch einen Extra-Drall überlegt, damit uns nicht fad wird“, sagt Lux. Mehr wird noch nicht verraten, nur so viel: Der neue Standort könnte ob der Innenstadtlage dann vermehrt Touristen bedienen, während die gute, alte Vollpension wieder mehr zum Grätzeltreffpunkt werden könnte.

AUF EINEN BLICK

Die Vollpension in der Schleifmühlgasse 16 im vierten Bezirk wurde mit dem Ziel eröffnet, älteren Menschen eine Beschäftigung zu bieten und junge und ältere Menschen zusammenzubringen. 17 Damen arbeiten als Backomas (es gibt auch einen Backopa), sechs weitere Senioren kümmern sich als Oma und Opa vom Dienst um die Gäste.

Im Oktober eröffnen die Vollpension-Geschäftsführer Hannah Lux, Julia Krenmayr und Moriz Piffl-Percevic eine zweite Vollpension im ersten Bezirk. Der Standort ist noch geheim. www.vollpension.wien.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.09.2019)

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