Eine Inszenierung als Schlusspunkt

Marchel Hirscher
Marchel Hirscher APA/HANS KLAUS TECHT
  • Drucken

Wann ist der richtige Zeitpunkt für das Karriereende? Marcel Hirscher setzt auch beim Abschied neue Maßstäbe.

Marcel Hirscher ist auf dem Höhepunkt seiner Karriere. Der Annaberger hat alles gewonnen, was es im Skisport gibt. Acht große Kristallkugeln in Serie, zweimal Olympiagold, sieben WM-Titel und 67 Weltcupsiege – er war fünfmal Österreichs Sportler des Jahres. Mehr geht nicht, mehr reizt den Familienvater, der als gesunder Mensch den Weltcupzirkus nach zwölf Jahren verlassen kann, offenbar nicht. Heute Abend dürfte der 30-Jährige wohl das Ende seiner Karriere verkünden.

Für manche kommt sein Abschied dennoch zu früh. Sie trauen ihm weiterhin Großes zu, nur da wedelt ein Hintergedanke mit: Man fürchtet sich vor Verletzungen – und Misserfolgen. Was, wenn Hirscher nicht mehr siegt? Oder: Welcher andere ÖSV-Fahrer sorgt dann für Medaillenfeiern?

Für andere hingegen kommt Hirschers Rücktritt zum absolut richtigen Zeitpunkt. Zelebriert mit einem von Red Bulls Maschinerie bereiteten Event, einer Inszenierung auf der großen Bühne im Salzburger „Gusswerk“. Das Spektakel „Rückblick, Einblick, Ausblick“ läuft heute im Live-TV, ab 20.15 Uhr in ORF2 und, vom Namen passend, auch auf ServusTV.

Österreichs Sport hat nur wenige Allzeitgrößen, deren Popularität über den Spielfeldrand hinausreicht. Hermann Maier, Thomas Muster, Franz Klammer, Karl Schranz oder Annemarie Moser-Pröll sind solche. Toni Sailer oder Niki Lauda bleiben immer legendär. Alle aber eint eines: Ihre Rücktritte liefen – im Vergleich zu Hirscher – anders. Unerwartet, überraschend, mitunter zu spät, ohne das wirklich große Brimborium. Manche wagten später sogar ein Comeback, oft vergebens, damit an ihrem Mythos kratzend. Sensationell bleiben Laudas dritter WM-Sieg und Prölls Gold 1980.

Vor der heutigen Show rätseln Wegbegleiter und Beobachter seit Tagen, wie Hirscher reagieren, was er sagen, ob er gar wie Maier weinen wird. Die Meinungen sind geteilt. Neugierde, Gerüchte und Interesse sind jedenfalls so groß, dass die Talkrunde der Kandidaten zur Nationalratswahl vom ORF in Erwartung extremer Zuschauerquoten flott nach hinten verschoben worden ist.

In einem Punkt herrscht überraschend Einigkeit: Die Szene hofft auf klare Worte, eine definitive Entscheidung von Hirscher. Denn für eine Pause oder ein simples Timeout ist zu viel Wirbel gemacht worden. Da hat ihm der Boulevard die Entscheidung womöglich leichter gemacht bzw. abgenommen. Aber: Hirscher ist auf dem Höhepunkt seiner Karriere. Er kann als Siegertyp und Sympathieträger in einer TV-Inszenierung abtreten. Besser geht es nicht.

E-Mails an:markku.datler@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 04.09.2019)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

Marcel Hirscher
Morgenglosse

Erst Hirscher, dann Kickl

Zuerst die finale Abschiedsshow, dann das Polit-Drama: warum der Skistar am Mittwoch beim ORF aber Vorrang hat? Österreichs Politiker kennen den Rücktritt nicht.
SKI ALPIN - FIS WC Alta Badia, RTL, Herren
Kommentare

Schneller als Hirscher

Marcel Hirscher soll die Entscheidung über seine Zukunft in eigene Worte fassen. So viel Geduld sollte selbst ein skiverrücktes Land wie Österreich haben.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.