Candlelight-Dinner mit Jan van Eyck

Kostbare Leihgabe: „Madonna am Brunnen“ aus Antwerpen.
Kostbare Leihgabe: „Madonna am Brunnen“ aus Antwerpen.(c) Dominique Provost
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Man lernt viel in der Schau zu Jan van Eyck im KHM – nicht zuletzt das genaue Sehen.

Es sind diese kleinen, feinen Ausstellungen, die es ermöglichen, alte Meister heute noch intim zu erfahren. Ist es doch das menschliche Maß der durchschnittlichen Aufmerksamkeitsspanne unserer digitalen Zeit, dem in der medial oft ungeliebten Kabinettausstellung entgegengekommen wird. KHM-Generalin Sabine Haag hat dieses überschaubare Format wie nie in diesem Haus gefördert, es ist eine Art seriöses Candlelight-Dinner mit der Kunst statt der Tinder-Megaschau mit Hunderten Exponaten. Wisch und weg.

Diesmal sitzt uns Jan van Eyck gegenüber im lauschig-abgedunkelten Sonderausstellungsraum der KHM-Kunstkammer. Zur Auffrischung: flämisch, farbenprächtig, spätmittelalterlich, Hauptwerke: „Arnolfini-Hochzeit“ (National Gallery in London) und natürlich Genter Altar. Lang wurde er (dem Renaissancekünstler-Biografen Vasari folgend) als „Erfinder der Ölmalerei“ gefeiert, was nicht ganz richtig ist, doch das Selbstbewusstsein des um 1390 nahe Maastricht geborenen Hofkünstlers wohl trifft. Schließlich hat er die Qualitäten der Ölfarben – Schattierung und Intensität – erstmals so kunstfertig in der Tafelmalerei verwendet. Die regenbogenfarbigen Engelsflügel in seinen Andachtsbildern wirken da fast wie eine Probe dieser Kunst.

Man sieht sie auf der kostbaren Leihgabe, die der Anlass für diese Ausstellung war: Das 1439 entstandene Bildtäfelchen „Madonna am Brunnen“ aus dem Antwerpener Kunstmuseum. Gemeinsam mit den beiden Männerporträts (Goldschmied und Gelehrter) aus dem KHM selbst sind also drei van-Eyck-Werke hier versammelt. Was angesichts von nur 20 erhaltenen eine illustre Gemeinschaft ist. Begleitet wird sie von Objekten, die viel vom „Mediennutzen“ der damaligen Zeit erzählen: also darüber, was Malerei damals bedeutete und wie sie benutzt wurde.

Madonna im mobilen Schrein

So hing das nicht einmal 20 Zentimeter hohe Madonnen-Täfelchen sicher nicht irgendwo bei Philipp dem Guten, zum Beispiel über der Couch respektive dem Thron. Es wurde wohl in einem mobilen Schrein aufbewahrt und bei Bedarf, also bei Gebet, herausgeholt und auf ein Samttuch gelegt. Vermutet man. Anschaulich wird das bei dem Buchaltärchen aus derselben Zeit, das man sich aus der Nationalbibliothek ausgeborgt hat. Es gehörte ebenso dem burgundischen Herzog Philipp dem Guten, für den van Eyck ab 1425 als Hofkünstler in Lille, später aus Brügge arbeitete.

Hofkünstler zu sein bedeutete damals nicht nur, Andachtsbilder und Porträts der Verlobten zu malen, wie van Eyck das mit Philipps Isabella tun sollte, sondern vor allem auch, Schlösser auszustatten, Umzüge zu gestalten, Schilde zu designen und Gewänder, vor allem unfassbar kostbare liturgische, sie standen weit über der Malerei. Das erklärt hier die in voller Weite aufgespannte Kasel der „Paramente des Ordens vom Goldenen Vlies“ aus der Wiener Schatzkammer. Diesen Orden gründete Philipp übrigens im Umfeld seiner dritten Ehe mit besagter Isabella von Portugal 1430. Ein Event, das van Eyck gehörigen Stress bescherte.

Danach arbeitete er weiterhin für Philipp, für den er auch diplomatische, teils geheime Reisen unternahm, von Brügge aus, wo er mit seiner Familie wohnte. Auch für private Auftraggeber. Das aus Antwerpen geliehene Marientäfelchen ist sein letztes erhaltenes religiöses Werk, zwei Jahre später, 1441, starb er. „Als ich can“ liest man unten auf dem Rahmen der Abbildung, „so wie ich vermag“ soll das heißen. Mit diesem Motto signierte van Eyck besonders in den frühen 1430er-Jahren seine Arbeiten. Als einer der ersten Künstler nördlich der Alpen, die signierten. Mit Motto war er überhaupt der einzige.

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