Harsche Kritik an Negativzinsen

Christine Lagarde ist mit Mario Draghi auf einer Linie.
Christine Lagarde ist mit Mario Draghi auf einer Linie. (c) REUTERS (Francois Lenoir)
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Eine Woche vor der nächsten EZB-Sitzung formieren sich die Gegner einer weiteren Zinssenkung und neuerlicher Anleihenkäufe. Deutsche-Bank-Chef Sewing zählt dazu.

Frankfurt. Wird „Super“-Mario Draghi zum letzten Mal in seiner Amtszeit als Chef der Europäischen Zentralbank (EZB) wieder tief in die Trickkiste greifen, um die Konjunktur mit billigem Geld anzukurbeln – oder doch nicht? Nichts wird eine Woche vor dem nächsten EZB-Treffen am 12. September in Banker- und Ökonomenkreisen heißer diskutiert als diese Frage. Interessant dabei: Die Gegner von Niedrig- beziehungsweise Negativzinsen formieren sich. Wobei sie nicht überraschend aus dem Bankensektor kommen.

Besonders harsche Worte gegen eine weitere Lockerung der Geldpolitik findet Deutsche-Bank-Chef Christian Sewing. „Gesamtwirtschaftlich wird eine weitere Zinssenkung auf dem aktuellen Niveau verpuffen“, sagte er am Mittwoch beim Bankengipfel des „Handelsblatts“. „Sie wird lediglich die Vermögenspreise weiter in die Höhe treiben und die Sparer weiter belasten.“ Mittelständler würden nicht mehr investieren, nur weil Kredite noch billiger würden.

Sewing teilt die von Draghi wiederholt geäußerte Hoffnung der EZB, mit einer weiteren Zinssenkung die schwächelnde Konjunktur anzukurbeln, nicht. Im Gegenteil: „Die Zentralbanken haben kaum noch Mittel, um eine echte Wirtschaftskrise wirkungsvoll abzudämpfen“, sagte der Chef der größten deutschen Bank. „Langfristig ruinieren diese Niedrigzinsen das Finanzsystem.“

Lagarde steht hinter Draghi

Während EZB-Direktorin Sabine Lautenschläger, Bundesbank-Präsident Jens Weidmann und sein Vorgänger Helmut Schlesinger in dieselbe Kerbe schlagen, stellt sich die designierte EZB-Chefin, Christine Lagarde, hinter Draghi. Sie hat sich angesichts der Konjunktursorgen für eine Fortsetzung der lockeren Geldpolitik ausgesprochen.

„Die Wirtschaft in der Euro-Zone ist auf kurze Sicht mit einigen Risiken konfrontiert“, sagte sie am Mittwoch im Wirtschafts- und Währungsausschuss des EU-Parlaments. Die Inflation im Währungsraum sei anhaltend zu niedrig und liege unter der Zielmarke von zwei Prozent. „Ich stimme daher mit der Ansicht des EZB-Rats überein, dass eine hochgradig konjunkturstützende Geldpolitik für eine längere Zeit gerechtfertigt ist.“ Gleichzeitig müsse die Notenbank aber auch die negativen Effekte einer unkonventionellen Geldpolitik im Blick haben, räumte die bisherige Chefin des Internationalen Währungsfonds ein, die im November an die Spitze der EZB tritt.

Im Hinblick auf die Äußerung Draghis zum Euro meinte Lagarde allerdings: „Ich hoffe, dass ich niemals so etwas sagen muss.“ Draghi hatte im Sommer 2012 gesagt: „Die EZB ist bereit, im Rahmen ihres Mandats alles zu tun, was nötig ist, um den Euro zu retten. Und glauben Sie mir: Es wird genug sein.“

Banken in der Eurozone müssen für Einlagen bei der EZB 0,4 Prozent Strafzinsen zahlen, während US-Banken Guthabenzinsen erhalten. Dort wurden die Leitzinsen zwar kürzlich gesenkt, sie liegen mit 2,00 bis 2,25 Prozent aber immer noch deutlich über dem Eurozonen-Niveau von null Prozent. Europäische Banken hätten durch diesen Unterschied einen Wettbewerbsnachteil von rund 40 Mrd. Dollar, also 36,3 Mrd. Euro, sagte Sewing. „Allein uns kosten die negativen Einlagenzinsen einen dreistelligen Millionenbetrag in diesem Jahr. Auf vier Jahre hochgerechnet sind das mehr als zwei Mrd. Euro.“ Dieses Geld fehle für Investitionen in Technologie.

Ökonomen gehen davon aus, dass die EZB ein Maßnahmenbündel zur Lockerung der Geldpolitik beschließt. Eine Senkung des Einlagensatzes begleitet von Erleichterungen für Banken sowie eine erneute Änderung des Zinsausblicks seien wahrscheinlich Teil des Pakets, heißt es. (eid/ag)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.09.2019)

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